KGI: Dunkle Stunde (German Edition)
wollte aufstehen, doch er legte ihr die Hand auf den Arm und hielt sie zurück. »Du bleibst hier. Ich gehe runter.«
»Ich rufe lieber die Polizei«, zischte sie.
Er warf ihr einen genervten Blick zu, stand auf und ging zum Schrank. »Vermutlich ist es nur eine Maus. Wegen so was müssen wir Sean nun wirklich nicht rausklingeln.«
Er griff in den Schrank und holte die Flinte heraus.
»Frank, dass du mir ja nicht meine Küche in Unordnung bringst!«
Mit einer wegwerfenden Handbewegung verließ er das Schlafzimmer. Marlene griff nach dem Telefon. Diese Kelly-Männer waren doch alle gleich – für sie gab es kein Problem, das sich nicht mithilfe einer Waffe lösen ließ. Grundsätzlich hatte sie nichts gegen Waffen, aber sie wollte keine Kugel in ihren frisch gestrichenen Küchenwänden.
Sie legte die Hand um den Hörer, wild entschlossen, Sean anzurufen, sollte sie auch nur den kleinsten Mucks von unten hören. Ob sie ihn aus dem Bett klingelte oder nicht, war ihr schnurzegal.
»Was zum … ? He, kommst du wohl zurück!«, hörte sie Frank brüllen.
Dann krachte etwas zu Boden, und Marlene zuckte zusammen. Ihre Finger flogen über die Zahlentastatur des Telefons. »Marlene, komm runter«, rief Frank.
Sie sprang aus dem Bett, das Telefon fest ans Ohr gepresst. Als sie am Fuß der Treppe angekommen war und um die Ecke in die Küche bog, bot sich ihr ein bizarres Bild.
»Gehen Sie von mir runter!«
Marlene starrte auf das kreischende Mädchen, das mit dem Gesicht nach unten auf dem Küchenboden lag. Frank saß rittlings auf ihr, rieb sich die Hände und fluchte wie ein Kesselflicker.
»Frank! Was zum Teufel ist hier los?«
Frank sah zu ihr hoch. »Wonach sieht es denn aus? Ich habe diese kleine Streunerin dabei ertappt, wie sie den Kühlschrank ausräumen wollte. Sie hat mir die Keksdose an den Kopf geworfen und versucht abzuhauen. Ruf Sean an. Er soll sofort rüberkommen.«
Marlene betrachtete das Mädchen, das sich noch immer heftig wehrte. »Mädchen« war mit Sicherheit der passende Begriff, denn die Diebin konnte kaum älter als sechzehn sein, wenn überhaupt. Sie war spindeldürr und wirkte unter ihrem Mann wie ein Zahnstocher unter einem Felsblock. Marlene konnte lediglich ihre rosa gefärbten Haare deutlich sehen, die in alle Himmelsrichtungen abstanden.
»Frank, geh runter von ihr«, herrschte sie ihren Mann an und trat auf die beiden zu.
»Wie bitte? Von ihr runtergehen? Den Teufel werde ich tun. Diese kleine Verrückte hat versucht, mich umzubringen!«
»Und jetzt bringst du sie um. Ein Mann deiner Größe, und du setzt dich einfach auf sie drauf! Vermutlich kriegt sie kaum noch Luft.«
Frank starrte seine Frau wütend an, dann stützte er sich auf seine Flinte und stemmte sich hoch, ohne jedoch die andere Hand vom Rücken des Mädchens zu nehmen. »Komm ja nicht auf dumme Gedanken, Mädchen. Ich habe keine Skrupel, dir eine Schrotladung zu verpassen.«
Marlene verdrehte die Augen und schob ihren Mann zur Seite.
»Verdammt noch mal, Marlene, geh nicht so nah an sie ran!«, protestierte Frank. Er versuchte, sich zwischen Marlene und das Mädchen zu schieben, aber sie ging einfach um ihn herum.
»Du kannst jetzt aufstehen«, sagte sie. »Aber komm lieber langsam hoch. Frank ist ganz scharf darauf, seine Flinte zum Einsatz zu bringen.«
Die junge Diebin drehte sich auf den Rücken. Sie hatte Angst, versuchte das aber schnell zu verbergen und stattdessen einen genervten, abweisenden Gesichtsausdruck aufzusetzen. Eigentlich war sie recht hübsch, wenn auch klapperdürr. Unter ihren Augen lagen tiefe Ringe, und Marlene fragte sich, ob sie wohl genauso lange nicht geschlafen hatte, wie sie nichts zu essen bekommen hatte.
Ihre Kleidung – wenn man sie überhaupt als solche bezeichnen konnte – hing an ihr herab, und ihre Haare wären ohne die rosa Farbe vermutlich gar nicht mal so hässlich gewesen.
Sofort schloss Marlene das Mädchen ins Herz. Es war ganz eindeutig, dass es sich bei ihr nicht um eine professionelle Diebin handelte. Natürlich würde Frank sie auslachen und behaupten, ihr gutes Herz würde sie noch mal in Schwierigkeiten bringen. Ihre Jungs würden murren und ihr vorwerfen, dass sie viel zu viele Streuner bei sich aufnahm – was auch stimmte, nur dass sie meist aus dem Tierreich stammten.
»Hast du Hunger?«, fragte Marlene.
Die Kleine kniff die Augen zusammen. »Nein. Ich wollte nur ein bisschen Eis aus Ihrem Kühlschrank klauen.«
Marlene hätte bei ihrer
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