KGI: Dunkle Stunde (German Edition)
Natürlich werden sie sich freuen, aber im ersten Moment wird das bestimmt ein Schock sein.«
»Lass das mal unsere Sorge sein«, sagte Sam. »Kümmere du dich um Rachel und bring sie, so schnell es geht, nach Hause.«
Er schlug Ethan sanft auf den Rücken. »Das sind die besten Neuigkeiten, die unsere Familie seit Langem bekommen hat. Denk doch nur, wie sagenhaft Weihnachten dieses Jahr sein wird.«
Einen Moment lang versagte Ethans Stimme. Weihnachten. Auf diese Festtage hatte sich Rachel immer ganz besonders gefreut. Sie und Mom hatten regelmäßig alle in den Wahnsinn getrieben, weil sie alles schmückten, unzählige Geschenke kauften, und jeder sich an den kitschigen Familienfeierlichkeiten beteiligen musste. Ihm war erst letztes Jahr aufgefallen – das erste Weihnachten ohne Rachel – , wie sehr er diese Zeit immer genossen hatte. Ohne sie waren es freudlose, qualvolle Feiertage gewesen.
Heiligabend hatte er zu Hause allein mit einer Flasche billigem Fusel verbracht. Im Dunkeln. Keine Christbaumkerzen, keine Weihnachtslieder, die noch älter waren als seine Großeltern. Nur die Erinnerung an Rachels Lächeln und die Art und Weise, wie sie sich über die Geschenke gefreut hatte. Damals hätte er alles dafür gegeben, nur noch einmal mit ihr Weihnachten feiern zu dürfen, und jetzt war dieser Wunsch in Erfüllung gegangen.
»Gott steh uns bei«, sagte Donovan belustigt. »Wenn Rachel und Mom wieder gemeinsam loslegen, kommt keiner mit heiler Haut davon.«
Garrett verdrehte die Augen. »Und wir müssen alle wieder bescheuerte Nikolausmützen tragen.«
»Da fällt mir ein«, sagte Sam zu Garrett, »dieses Jahr bist du dran als Weihnachtsmann.«
Garrett schaute sie völlig entgeistert an, und die anderen brachen in Gelächter aus. Ach Gott, wie schön war es, wieder einmal zu lachen, und nicht ständig das Gefühl zu haben, es würde sich im Leben gar nichts mehr zum Guten wenden.
Breit grinsend blickte Ethan seine Brüder an. Auch sie hatte er vermisst. Das letzte Jahr war ohne Rachel schon schmerzlich genug gewesen, aber zusätzlich hatte er sich auch noch von seiner Familie abgeschottet. Für ihn selbst würde es ebenso eine Heimkehr sein wie für Rachel.
»Wenn es ihr ein Lächeln auf ihre Lippen zaubert, lasse ich mich sogar als Rentier Rudolph verkleiden«, sagte Garrett, nachdem er Rachel, die immer noch selig schlief, verstohlen einen Blick zugeworfen hatte.
»Ich nehme dich beim Wort«, murmelte Donovan.
Sam wurde wieder ernst. »Wir müssen los. Ihr beide meldet euch regelmäßig bei uns. Donovan und ich überbringen Mom und Dad die großen Neuigkeiten und bereiten alles für Rachels Rückkehr vor.«
Ethan sah erst Sam, dann Donovan und Garrett an.
»Danke.«
»Nun komm schon, Donovan. Verschwinden wir, bevor Ethan schon wieder den Moralischen kriegt.«
Ethan boxte Sam freundschaftlich in den Magen, und der krümmte sich, als hätte er entsetzliche Schmerzen.
»Weichei«, grummelte Garrett.
»Bleibst du hier, falls Rachel aufwacht?«, wandte Ethan sich an Garrett. »Ich würde die beiden gern hinausbegleiten.«
»Klar doch. Nur zu. Und wenn du schon dabei bist, dann gib ihnen von mir ein Abschiedsküsschen.«
Ethan schüttelte den Kopf, grinste allerdings. Dann folgte er seinen Brüdern, nicht ohne Garrett noch schnell den Mittelfinger zu zeigen.
Verschlafen schlug Rachel die Augen auf. Sofort überkamen sie die Erinnerungen … die Insekten, die über ihren ganzen Körper gekrochen waren. Schnell warf sie einen Blick auf ihre Arme, den Bauch. Aber sie sah lediglich blutbefleckte Kleidung. Stirnrunzelnd versuchte sie, sich zu erinnern, was bei ihrem Anfall passiert war. Dann schaute sie hoch und sah Garrett, der auf einem Stuhl beim Fenster hockte.
Als er merkte, dass sie wach war, stand er sofort auf, ging zu ihr hinüber und lächelte sie voller Wärme an. »He, Süße, wie geht’s?«, fragte er leise.
Sie versuchte, ebenfalls zu lächeln, aber eigentlich war ihr mehr nach Weinen zumute.
Garrett setzte sich auf die Bettkante, so wie Ethan es letzte Nacht getan hatte. »Na, jetzt mach doch nicht so ein Gesicht.«
»Ich verliere den Verstand.« Sie schluchzte eher, als dass sie sprach, und sie verachtete sich dafür.
Er strich ihr über die Wange und schob ihre eine Haarsträhne aus der Stirn. »Du verlierst nicht den Verstand, Rachel. Du bekommst ihn zurück. Das ist ein Unterschied. Du hast harte Zeiten hinter dir. Die meisten Menschen hätten das gar nicht überlebt. Du
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