KGI: Dunkle Stunde (German Edition)
weinen. Sie war es leid, so eine Heulsuse zu sein.
»Rachel?«
Ethans Mom trat auf sie zu und stellte sich neben Ethan. Rachel schluckte den Schmerz hinunter und konzentrierte sich auf die Frau, die sie voller Hoffnung und Zuneigung ansah. Aber Rachel erinnerte sich an nichts. Für sie blieb sie eine Fremde.
»Mein Baby«, flüsterte Ethans Mom und nahm sie in die Arme.
Rachel riss sich zusammen, aber am liebsten hätte sie sich einfach gehen lassen und losgeheult wie ein Baby. Gab es etwas Schöneres als die Liebe einer Mutter? Diese Frau war zwar nicht ihre Mutter, aber wenn sie Ethan und Garrett Glauben schenken durfte, hatte Marlene Kelly für sie die gleichen mütterlichen Gefühle empfunden wie für ihre leiblichen Kinder.
»Gott sei Dank, dass du wieder bei uns bist«, sagte Marlene leise.
Dann gab sie Rachel einen Kuss auf die Wange, strich ihr übers Haar und lächelte sie aus tränennassen Augen an.
»Du hast sie jetzt lange genug mit Beschlag belegt, Marlene. Lass sie einen Moment Atem holen, damit ich meine Tochter auch mal umarmen kann.«
Die barsche Stimme schreckte Rachel auf, sie entspannte sich jedoch sofort, als sie Frank Kelly neben Marlene stehen sah. Schüchtern lächelte sie den beeindruckenden Mann an. Zu ihrer Verblüffung sah sie, dass auch über seine Wangen dicke Tränen rollten.
Wie unter Schock nahm sie wahr, dass er die Arme ausbreitete. Anders als Marlene kam er aber nicht auf sie zu. Vielleicht befürchtete er, ihr Angst einzujagen oder zurückgewiesen zu werden.
So eingeschüchtert sie auch war, sie wollte ihn nicht vor den Kopf stoßen.
Nach kurzem Zögern ging sie auf ihn zu, ließ sich umarmen und schlang ihrerseits die Arme um seine Taille. Seine Ermahnung an Marlene, ihr doch Luft zum Atmen zu lassen, brachte sie nun zum Lächeln. Denn er drückte sie so fest an sich, dass sie tatsächlich kaum noch atmen konnte.
Sie schloss die Augen und atmete seinen Geruch ein. Old Spice Aftershave. Für sie der typische Geruch von Großvätern, Leder und einem gemütlichen Heim.
»Hey, lass uns auch noch was übrig.«
Rachel schlug die Augen auf und entdeckte neben Frank ein grinsendes Gesicht.
»Welcher von euch bist du?«, fragte sie.
Sein Lächeln wurde noch breiter. »Ich bin Joe. Mich erkennst du an meinem guten Aussehen.«
Sie konnte nicht widerstehen und lächelte ebenfalls, als Frank sie losließ. Joe packte sie und hob sie vom Boden hoch.
»Lass den Unfug, Blödmann«, fuhr ihn Ethan an.
Joe beachtete ihn nicht und wirbelte sie herum. Als sie ihm in die Augen sah, tauchte verschwommen ein Bild auf. Nur einen kurzen Moment. Aber es war Joe, wie er einmal nervös vor ihr stand. Jünger. Der gleiche kurze Haarschnitt. In Uniform. Tarnanzug. Kampfstiefel.
Sie runzelte die Stirn, als sie versuchte, den Erinnerungsfetzen festzuhalten. Vorsichtig setzte Joe sie ab und musterte sie besorgt.
»Hey, alles klar mit dir? Tut mir leid, hab mich wohl etwas hinreißen lassen.«
»Du wolltest mit mir ausgehen«, platzte Rachel heraus.
Nach einem kurzen nervösen Blick zu Ethan grinste er sie an. »Stimmt. Ist aber schon eine Weile her.«
Als Sam auf sie zutrat, zwang sie sich, nicht zurückzuweichen. »Kannst du dich an ihn erinnern, Rachel?«, fragte er.
Sie drückte mit der Hand ein wenig auf ihr rechtes Auge. Plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie leichtes Kopfweh hatte.
Ethan strich ihr über die Schulter und massierte sie leicht, um ihr zu zeigen, dass er bei ihr war und sie unterstützte. Erschöpft, aber vertrauensvoll lehnte sie sich an ihn. Auch wenn sie sich an diese Leute nicht erinnern konnte, die Zuneigung, die sie ihr entgegenbrachten, war deutlich zu spüren.
Dann sah sie Joe noch einmal an, durchsuchte die unklaren Bilder nach irgendeiner inneren Logik.
»Du standest vor mir … in Uniform … und warst furchtbar nervös.«
Joe lächelte. »Kein Wunder. Ich habe eine tolle Frau gefragt, ob sie mit mir ausgeht.«
Sie neigte den Kopf. »Habe ich Ja gesagt?«
Joe schaute übertrieben gekränkt drein. »Nein. Du hast mich sauber abblitzen lassen.« Er griff sich ans Herz und taumelte einen Schritt rückwärts. »Aber ich habe mich davon erholt. Irgendwann.«
Sie lächelte über seine Mätzchen. Dann sah sie zu dem Mann, der Nathan sein musste. Er hielt sich im Hintergrund und lächelte sie nur zaghaft an.
»Ihr seht euch gar nicht ähnlich«, sagte sie.
»Gott sei Dank«, murmelte Nathan.
»Genau, ich habe das gute Aussehen geerbt, und er … na ja,
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