Kiara & Alina
Sie wollte nicht nur Respekt, Anerkennung oder gar Bewunderung, wollte mehr als nur Lust spenden und Freude bereiten. Sie sehnte sich nach jemandem, der sie von ganzem Herzen mochte, so, wie sie war, egal, ob sie etwas tat oder nicht, egal, ob sie sprach oder schwieg. Und den sie auch liebte.
Zu Mark schaute sie auf. Alles würde sie für ihn tun. Sie hatte ihn sehr gern, aber sie liebte ihn nicht mit jeder Faser ihres Körpers.
Sie dachte an Alina. Wo sie wohl sein mochte? Ob es ihr gutging? Was würde Ellen wohl gerade mit ihr anstellen?
Eine Träne lief ihr übers Gesicht. Gedankenverloren wischte sie sie weg.
Niemals in ihrem Leben war sie einer Person so nahegekommen, hatte sie sich so verstanden und angenommen gefühlt.
Sie hielt inne und lächelte. Sie erinnerte sich an den Abend, als Michael Alina und sie auf der Party zu einer Lesbennummer aufgefordert hatte. Wie zögerlich sie damit begonnen hatten, weil es für sie beide viel zu intim vor den Zuschauern war. Erst die Peitschenhiebe von Ellen brachten sie dazu, alle Hemmungen fallen zu lassen und sich ganz ihrer Liebe hinzugeben. Echter Liebe. Ein öffentliches Liebesbekenntnis sozusagen. Und sie erinnerte sich an die Wut, mit der Mark am nächsten Tag die Peitsche auf sie niedersausen ließ.
Mark hatte sie vorher noch nie ohne direkten Grund bestraft. Er züchtigte sie, um sie zu erziehen, sie gefügig zu machen, aber er strafte sie nicht sinnlos. Dies schätzte sie an ihm. An diesem Tag machte er eine Ausnahme. Daszeigte ihr, dass er genau verstanden hatte, was zwischen ihr und Alina an diesem Abend gelaufen war.
Mark war konsequent, aber nicht brutal. Von Ellen konnte sie das nicht gerade behaupten. Kiara wischte sich eine weitere Träne weg. Sie mochte sich erst gar nicht vorstellen, wie Ellen Alina am nächsten Tag gepeinigt haben mochte. Wenn Mark Bescheid wusste, dann Ellen erst recht. Ellen wirkte kalt, konnte jedoch die Gefühle anderer lesen. Und für sie musste das Liebesbekenntnis ihrer Sklavin an eine andere Frau und Sklavin eine noch viel größere Beleidigung sein als für Mark. Er hätte sich immer noch einreden können: Kiara ist meine Sklavin, sie ist mir hörig, aber daneben mag sie auch Frauen, und ich, Mark, schaue da gern zu. Aber die Sklavin einer Frau, die eine andere Frau liebt? Die Strafe muss schrecklich gewesen sein.
Ach, Alina! Wie gerne hätte sie sie jetzt bei sich gehabt. Zusammen lachen, reden, kochen, einkaufen, ins Kino oder auch ins Bett gehen. Sich gegenseitig spüren und streicheln. Sosehr sie auch die ihr aufgebürdeten harten Sexualpraktiken, die Unterwerfung unter andere genoss, nichts hatte sie jemals in ihrem Leben so tief berührt wie die wenigen zärtlichen Momente mit Alina. Sie brauchte eben beides: die beherrschende Dominanz eines Mannes und die liebevollen Zärtlichkeiten einer Frau.
Aber was sollte sie tun? Offenbar war es ihr Schicksal. Sie war noch immer ein freier Mensch. Auch für Mark und sie galten die staatliche Rechtsordnung und die Regelungen zur Gleichstellung der Geschlechter. Im Prinzip hätte sie jederzeit gehen können. Aber solange sie mit Mark in Verbindung stand, sich ihm und seinen Bedingungenunterwarf, war sie sein Eigentum. Menschen wie Alina und sie, die anderen mit Leib und Seele gehörten, können sich vielleicht ineinander verlieben, aber diese Liebe wird sich nicht erfüllen. Mark hatte diesen Konflikt gespürt. Er hatte verstanden, dass sie und vor allem ihr Körper an diesem Abend nur einer Person gehörten, und zwar Alina. Und das in einem stärkeren Maße, als es ihm gegenüber jemals war.
Eine Trennung von Mark hätte den endgültigen und vollständigen Verzicht auf Alina bedeutet, eine Konsequenz, die viel schmerzhafter gewesen wäre als all das, was man jetzt für sie vorgesehen hatte.
»Kiara!«
Sie schreckte aus ihren Tagträumen auf. Am anderen Ende des Gartens stand Mark. Unter dem rechten Arm trug er eine Aktentasche, in der linken Hand hielt er einen kleinen Koffer.
»Kiara, ich bin ziemlich in Eile, habe einen dringenden Geschäftstermin in London. Ich komme erst in drei Tagen zurück. Bitte kümmere dich in der Zwischenzeit um das Haus!«
»In Ordnung, kein Problem. Aber ich habe Angst in dem großen Haus so alleine.«
»Michael wird öfter mal nach dem Rechten sehen.«
Sie musste lachen, weil sie genau wusste, wonach Michael dann schauen würde. Also war es wohl angebracht, die Heizung noch etwas aufzudrehen, damit sie nicht jedes Mal so viele
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