Kielwasser
Überall Gebissruinen.«
»Hier sterben Säuglinge, Kinder, Frauen und Männer an Unterernährung, Seuchen und Landminen«, bemerkte Schumann lakonisch.
»Man darf das nicht gegeneinander aufrechnen. Es gehört zusammen«, beschied Jung.
Sie fuhren jetzt auf der Zufahrtsstraße zum Hafen geradeaus in Richtung Stadtzentrum.
»Hier links, in den herrschaftlichen Häusern, residieren die Botschafter. Da drüben baut Indonesien gerade seine neue Botschaft. Großzügig, nicht wahr?«
»Aufwendig«, warf Schumann ein.
»Die Menschen vor dem Gatter dort, die wollen in das einzige Krankenhaus. Es liegt ziemlich exklusiv. Noch ist es nicht geöffnet. Die Franzosen haben ein eigenes Krankenhaus. Sehr gut ausgestattet. Wir dürfen es bei Bedarf in Anspruch nehmen. Hinten, nach der Rechtskurve, liegt die amerikanische Botschaft.«
Sie fuhren an einer Reihe von Anwesen mit üppig bepflanzten Vorgärten und breiten Gattern vor gepflegten Auffahrten vorbei, bis sie an die Kurve kamen und der Fahrer die Geschwindigkeit bis aufs Schritttempo drosselte.
»Die Amis haben vor ihrer Botschaft Straßenschikanen installiert, aus Sicherheitsgründen. Die Einfahrt ist durch Nadelbalken gesichert. Sie können bei Bedarf aus dem Boden gefahren werden. Erinnern Sie sich an unseren ehemaligen Verteidigungsminister? Bei seinem Antrittsbesuch in Washington ist er in eine dieser Fallen gefahren. Witzig, nicht?« Jungmann lachte als Einziger. »Aus Sicherheitsgründen bleibt auch das Nachbargrundstück rechts daneben frei. Sie haben es wohl gekauft.«
»Oder keiner will ihr Nachbar sein«, bemerkte Jung. Er sah neben dem Botschaftsgebäude, jenseits eines öden und kahlen Küstenstrichs, in naher Ferne das Meer glitzern. Der Gegensatz zwischen der Ödnis und dem üppig mit Palmen, Oleander und Eukalyptusbäumen bewachsenen Botschaftsgelände drängte sich ihm provozierend auf. Über dem Anwesen wehte ein überdimensionales Sternenbanner an einem riesigen Flaggenmast. Der Anblick schickte eine makabre Botschaft in die Welt.
»Etwas weiter gibt es ein altes französisches Kasino. Die Tennisplätze davor gehören dazu. Ziemlich heruntergekommen. Bei der brutalen Hitze hier nicht verwunderlich. Dahinter liegt ein Strandcafé. Nichts Tolles. Aber man kann da auf Plastikstühlen im Grünen sitzen und auf das Meer schauen. Die Drinks sind gut und man bekommt keinen Durchfall. Auch das Essen ist annehmbar, aber woanders gibt es das weitaus besser. Dahinten sehen Sie das Sheraton. Sie kennen das schon. Wir fahren jetzt daran vorbei, nach rechts in Richtung Boulevard de la République. Hier gibt es ein nettes kleines Hotel, das Alia. Davor sitzt eine spezielle Freundin von mir. Sie flechtet Korbwaren. Großartig. Tolle Farben. Afrikanisches Design. Jedes Mal, wenn ich vorbeikomme, kaufe ich ihr etwas ab. Sie kennt mich schon und freut sich. Früher kam immer ein Kerl von irgendwoher, wie aus dem Nichts, und drängte sich als Vermittler auf, weil er ein paar Brocken Englisch spricht. Anfangs hat sie ihn geduldet. Die Knete hat sie ihm sofort aus der Hand gerissen und geschimpft wie ein Rohrspatz. Sie verwahrt ihr Geld in einer durchsichtigen Plastiktüte unter ihren Tüchern. Vielleicht ist er ja auch ihr Beschützer. Schade, heute ist sie nicht da. Haben wir einen islamischen Feiertag, Bootsmann?«, fragte Jungmann den Fahrer. Er bekam keine Antwort.
Sie bogen über einen Kreisel nach links auf eine breitere Straße ab. Der Autoverkehr nahm jetzt zu, vor allem Pick-ups, Busse und klapprige Lastwagen. Zur linken Hand lag ein langer und breiter Sandstrand. Der Meeresboden davor war trocken gefallen und in den zurückgebliebenen Wasserlachen wuschen sich Männer, Frauen und Kinder. Am Strand hockten Familien zusammen in der Sonne und trockneten sich. Kinder spielten mit leeren Wasserflaschen Fußball.
»Das ist das öffentliche Stadtbad«, fuhr Jungmann fort. »Muss heute tatsächlich ein islamischer Feiertag sein. Sonst sind hier nicht so viele zu sehen. Das nächste Hochwasser schwemmt die Überreste ins Meer. Übrigens auch die Abwässer der Stadt. Sie werden Sie gleich riechen. Ein Stück weiter unterquert ein offener Abwasserkanal die Straße. Rechts kommt jetzt die Kaserne der Franzosen. Ihre Klinik ist hier untergebracht. Die Fremdenlegionäre haben ihre eigene Kaserne. Wir kommen da später noch hin.«
Auf der linken Seite gab es keinen Strand mehr – er hatte einer städtischen Bebauung weichen müssen.
»Seit die Franzosen Dschibuti in
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