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Kielwasser

Kielwasser

Titel: Kielwasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Pelte
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musste er die Augen mit der Handfläche schützen. Die Sicht auf den Golf war atemberaubend. Hier, ein Deck über seiner Kammer, konnte er ungehindert über den Hafen und auf die mit Bojen markierte Reede sehen. Draußen lagen ein paar alte Frachter vor Anker, dazwischen dümpelten arabische Daus auf der leicht bewegten, smaragdgrünen See. Eine größere Dau zog Jungs Aufmerksamkeit auf sich. Es schien, als sei sie aus Tausendundeiner Nacht in die Gegenwart gesegelt. Auf dem Heck thronte ein Deckshaus mit umlaufender, hölzerner Veranda. Die Säulen und Handläufe leuchteten in sattem Blau und Weiß. Eine hellblaue Holzleiter führte aufs Dach zu einer Terrasse. Der Boden war mit Teppichen ausgelegt und die niedrige, blendend weiße Balustrade erschien ihm wie ein einladender Wink. Das Bild strahlte Frieden und Menschenfreundlichkeit aus. Jung hätte sich am liebsten auf eine bequeme Liege gebettet und sich der Szenerie gänzlich hingegeben. Seine Fantasie führte ihn auf das Deckshaus der Dau und in üppige Kissen, in denen er mehr liegend als sitzend die wohltuende, märchenhafte Gastfreundschaft des Orients genoss.
    Er verscheuchte seine Fantasien und stieg den Niedergang hinab auf das Hauptdeck. In der Offiziermesse traf er Jungmann beim Frühstück. Er machte den Eindruck, als seien die zwischen gestern und heute liegenden Stunden an ihm spurlos vorübergegangen, so, als hätte es sie nie gegeben.
    »Guten Morgen. Haben Sie einen schönen Abend verbracht?«, begrüßte er Jung. »Setzen Sie sich und frühstücken Sie mit mir.«
    »Guten Morgen. Danke, ich möchte lieber nichts. Sind Sie öfter im Gepard?«, antwortete Jung kurz angebunden.
    »Sehr selten. Ich kann mir das nicht leisten.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »So viel Geld verdiene ich nun auch wieder nicht, um mir da jeden Abend Drinks zu genehmigen.«
    »Ach ja, ist es so teuer? Ich habe das gar nicht mitbekommen.«
    »Dschibuti ist nach Japan das Land mit den höchsten Lebenshaltungskosten. Erstaunlich, aber wahr. Und Sie haben nichts gemerkt? Was hat Sie denn so abgelenkt, wenn ich fragen darf?«
    Er durfte nicht, und Jung lenkte die Unterhaltung in eine belanglose Plauderei über den Wechselkurs zwischen Dschibuti-Franc, französische Franc, Euro und DM – bis Schumann an die Tür klopfte und sich in die Messe meldete. Jung fragte sich allmählich, was ihn an der ewigen Rein- und Raus-Melderei eigentlich so sehr störte. Er ging dem Gedanken aber nicht weiter nach und widmete sich der Straßenkarte von Dschibuti, die am Ende der langen Back offen ausgebreitet dalag.
    »Wir fahren jetzt durch den Hafen, dann am Französichen Viertel vorbei die Avenue General Callieni entlang«, erklärte Jungmann ihnen. »Da liegen die Botschaften, ich weiß gar nicht von wie vielen Ländern, aber viele können es nicht sein. Deutschland lässt sich zum Beispiel durch Frankreich vertreten. Die Amerikaner haben die größte und natürlich die am besten bewachte.«
    »Lassen Sie uns gehen. Ich bin schon gespannt. Gestern Abend haben wir in der Dunkelheit nicht viel sehen können, oder, Schumi?«
    »Was ich gesehen habe, hat mir gefallen«, erwiderte Schumann zweideutig.
    Sie brachen auf. Aus der Bordsprechanlage tönte es: »Der Kommandeur geht von Bord«. Auf der Stelling grüßten sie – auch Jung – vorschriftsmäßig die Bundesdienstflagge am Heck des Tenders. Die Wache war an Oberdeck angetreten und pfiff für die von Bord gehenden Offiziere Seite. Jung sah sich die Reaktion Jungmanns auf den Pfiff an und machte es ihm einfach nach. Es gelang ihm nur leidlich, nicht etwa, weil daran irgendetwas kompliziert gewesen wäre, sondern weil sich etwas in ihm dagegen sträubte und er es nur mühsam überwinden konnte.
    »Bravo zulu 29 , Tomi«, murmelte ihm Schumann ins Ohr, als sie in den wartenden Toyota stiegen. Jung mochte ihn nicht fragen, was das nun wieder zu bedeuten habe. Er wollte sich vor dem unsympathischen Fahrer, den er schon von der letzten Tour her kannte, nicht die geringste Blöße geben. Etwas Schlimmes konnte Schumann nicht gemeint haben, denn er grinste ihn zufrieden an. Jung hatte gelernt, die feinsten Nuancen aus Schumis ewig freundlichem Grinsen herauszulesen.
    »Den Containerhafen da drüben haben die Scheichs der VAE 30 gebaut«, begann Jungmann. »Über ihn wird der gesamte Handel über See nach Äthiopien abgewickelt und natürlich auch kontrolliert. Sonst hätten sie dafür kein Geld ausgegeben. Er wird extra beschützt und bewacht.

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