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Kielwasser

Kielwasser

Titel: Kielwasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Pelte
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Übrigens ist er so sauber wie sonst nichts in Dschibuti, unser Schiff natürlich ausgenommen.« Er lachte gekünstelt. »Nur ausgewählte und überprüfte Leute dürfen da arbeiten. Nicht solche wie die hier vor der Hafeneinfahrt. Rechts vor der Schranke, der fensterlose, marode Steinbau: Das ist das Hafenbüro. Die Männer in Hemd und Hose und mit Stift und Schreibblock in der Hand sind die Agenten. Sie entscheiden über die Vergabe der Arbeit im Hafen. Die vielen abgerissenen Gestalten warten auf Gelegenheitsjobs. Kamele tränken gehört übrigens auch dazu. Sie löschen die Schiffe, oft sind das nur noch Seelenverkäufer. Vieles wird manuell in schweren Säcken, Kisten und Paletten von Bord geschleppt. Getreide wird gelegentlich noch mit der Schaufel verladen. Das muss man sich mal im Hamburger Hafen vorstellen. Undenkbar. Täuschen Sie sich nicht in den Klappergerüsten. Sie leisten Unmögliches. Jetzt ist es vergleichsweise kühl. Im Sommer ist es unmenschlich. Sehen Sie die mit dem Holzbein dahinten? Die werden Sie noch öfter sehen. Sind Opfer der Bürgerkriege. Oder besser, der Landminen. Die Bude mit den blauen Plastikstühlen ist eine Art Café. Sie warten da und trinken, wenn sie Geld haben, eine Cola, Wasser oder einen Kaffee noir. Ich würde von dem Zeugs nix anrühren. Da drüben, die Frau in dem blauen Burnus vor der grünen Holzauslage, sie verkauft Kat. Kat ist hier die Hausdroge, und ohne diese läuft gar nichts. Die beiden Händchen haltenden Männer da rechts sind nicht etwa ein schwules Paar, sondern nur im Rausch vereint. Sieht man auffällig oft hier. Wenn der Nachschub an Kat mal ausbleibt, gibt’s gleich Mord und Totschlag. Der Jutesack auf ihrem Tisch ist nicht etwa voll davon. Dann wären sie reich. Er dient nur als Schutz vor der Sonne. Die Katblätter trocknen leicht aus.«
    Sie passierten zur Linken die kurze, schmuddelige Gasse, an dessen Ende Jung bei ihrer Ankunft die Moschee gesehen hatte. Bei Tageslicht wirkte der Bau imponierend. Das Minarett war ein dreigeschossiger Turmbau, dessen Spitze ihn an einen Leuchtturm erinnerte. Die Galeriegeschosse wuchsen als Verdickungen aus einer schlanken Säule heraus. Das hätte leicht wacklig und plump geraten können, hier aber vermittelte die Architektur den Eindruck eleganter, großer, innerer Kraft. Davor säumten niedrige Häuser die unbefestigte Fahrbahn. Von den Wänden blätterte der Putz. Glasscheiben gab es nicht. Die Fensterhöhlen blieben leer, waren mit Pappe und Plastikbahnen verhängt oder mit Holzbrettern vernagelt. Überall lag Plastikmüll. Es wimmelte von barfüßigen Einheimischen in abgerissenen Hemden und Wickelröcken. Sie standen an der Mauer der Moschee und redeten aufeinander ein oder hockten apathisch im Schatten der heruntergekommenen Häuser.
    »Der Islam gibt hier den Ton an.« Jungmann hatte Jungs Blick verfolgt. »Moslems gehen jeden Tag mehrmals beten. Vor dem Betreten des Gebetshauses müssen sie sich die Füße waschen. Hier dürfen sie das. Links geht es ab in das Franzosen-Viertel. Sie leben unter sich. Es gibt Supermärkte wie in Europa. Aber teuer wie auf Sylt. Alles muss eingeflogen werden. Hier links, auf den leeren Plätzen, die wie Müllkippen aussehen, leben viele mit ihren Familien unter Plastiksäcken und Pappdeckeln. Die Frau dahinten kocht am offenen Feuer. Alle Frauen verfeuern, was brennt oder noch irgendwie kokelt und Wärme abgibt. Deswegen dieser beißende Geruch. Wird Ihnen sicher schon aufgefallen sein. Links, neben den Bahngleisen, sehen Sie noch eine sehr beliebte Unterkunft.«
    Jung sah einen Mann unter einem abgestellten Lkw liegen. Er schlief unter einer ausgebreiteten Zeitung.
    »Ich bin jetzt schon ziemlich lange hier«, fuhr Jungmann fort, »aber ich wundere mich immer noch über die Frauen. Die Männer sehen in der Regel schmuddelig und abgerissen aus, Frauen meistens nicht. Die da drüben beispielsweise, die mit dem Blecheimer. Sehen Sie ihre Tücher? Die sind sauber, und wie die Farben leuchten. Wie machen die das in diesem Dreck? Wenn sie genau hinsehen, ist die Mehrzahl überhaupt erstaunlich ansehnlich. Die Hygiene ist dürftig, wir werden das gleich noch besichtigen können. Toilettenartikel können sie sich nicht leisten. Von Kosmetik ganz zu schweigen. Medizinische Versorgung fällt nahezu flach. Sie haben nie einen Zahnarzt gesehen. Stellen Sie sich mal vor, wie unsere Frauen in Europa aussehen würden, wenn sie keinen Zahnarzt hätten? Welche Vorstellung. Unglaublich.

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