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Kielwasser

Kielwasser

Titel: Kielwasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Pelte
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konnte er sich nicht daran erinnern. Der Klang ließ ihn erzittern. Er konnte kaum noch an sich halten. Nur die Worte des SMO zuckten durch sein Gehirn: zu 80 Prozent AIDS-durchseucht.
    Er fasste sie sanft an ihrem nackten Oberarm, um sie vorsichtig von sich zu schieben. Als er ihre warme, glatte Haut an seinen Fingerkuppen spürte, raste eine erneute Schockwelle durch seinen Körper und riss ihn buchstäblich vom Hocker. Er kippte auf die linke Seite und versuchte, sich mit seiner rechten Hand am Tresen festzuhalten. Der Versuch misslang. Sein Glas und er landeten kläglich auf dem Boden.
    »Oh my dear, did I hurt you? Oh my God, so sorry for that.« Sie beugte sich über ihn, um ihm auf die Beine zu helfen. Jung sah direkt in den Ausschnitt ihrer Bluse, auf ihre prächtigen Brüste. Ihm wurde schwindlig. Er wusste nicht recht, wovon. Er wollte nur an die frische Luft, rappelte sich auf, wies ihre Hilfe von sich und flüchtete durch den Eingang ins Freie. Hier verkroch er sich hinter der nächsten Oleanderhecke und suchte vergeblich die Gegend nach dem Auto ab. Er war nicht bei der Sache. Er war kopflos, völlig orientierungslos.
    Als Nächstes hörte er den Barkeeper nach ihm rufen. Er musste die Rechnung noch bezahlen, fiel ihm jetzt ein. Das brachte ihn halbwegs zur Besinnung. Er kam hinter der Hecke hervor und lenkte seine Schritte auf den Barkeeper zu, der vor dem Einlass im Licht der über der Tür angebrachten Leuchtschrift verharrte.
    »You miss your bill, mister.«
    »What is it?« Jung kramte ein paar größere Scheine aus seiner Hosentasche und reichte sie dem Mann hinüber. Der zählte sie geschickt ab.
    »You want a change?«
    »No, no, keep it.«
    »Do you want this girl? She is the best for ficky fucky, really. Believe me. I know it.«
    Jung schwieg und starrte ihm in die Augen, die im Licht der blauen Leuchtschrift unnatürlich glänzten.
    »Should I get her outside? She is yours, if you want so, for sure.«
    Als Jung noch immer nicht reagierte, schimpfte der Mann. »What’s going on with you, mister? Are you gay?«
    Jung hatte genug von der Konversation und wandte sich dem Aufgang zur Hotellobby zu. Er durchquerte diese geistesabwesend und ließ sich in der angrenzenden Bar nieder. Er war der einzige Gast. Er bestellte sich einen doppelten Bourbon ohne alles und stürzte ihn in wenigen Sekunden hinunter. Sein Schlund brannte. Der Sprit wärmte seinen Magen und machte ihn auf der Stelle ziemlich betrunken. Er war fertig. Sein Kopf wurde schwer. Was war eigentlich mit seinem Sexleben los, fuhr es ihm durch den Kopf. Hatte er überhaupt jemals eines gehabt, das diesen Namen verdiente? Wann hatte er zum letzten Mal Sex gehabt? Was war nur los mit ihm?
    Eine Müdigkeit überfiel ihn, wie er sie lange nicht mehr verspürt hatte und die alle Widerstände gegen schlechtes Benehmen beiseiteschob. Er legte die Arme auf den Tresen, bettete seinen Kopf darauf und schlief ein.
    Er wachte erst auf, als Schumann ihn heftig an der Schulter schüttelte. »Hey, Tomi, wach auf. Was ist los? Ich hab lange gebraucht, um dich zu finden. Wollten wir nicht einen draufmachen und etwas in Erfahrung bringen?«
    »Hab ich gemacht, Schumi, hab ich gemacht. Und wie. Deswegen bin ich ja hier versackt.«
    »War es so heftig? Erzähl.«
    »Ein andermal, nicht heute. Ich bin müde. Lass uns auf den Bock gehen, bitte.«
    »Wie der Herr Oberleutnant befehlen. Es ist zwei Uhr nachts. Spät für Papis. Komm, gehen wir.«
    Jung hinterließ einen Geldschein auf dem Tresen. Schumi war gut drauf und nach dem Stand der Dinge, die Jung zu registrieren in der Lage war, nüchtern genug, sie sicher zu ihrem Schiff zu fahren.
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     

Die Sightseeingtour
    Jung wachte auf und sah erschrocken auf die Uhr. Dann legte er sich noch einmal erleichtert zurück. Er hatte noch Zeit. Ihn quälte kein dicker Kopf, dennoch hatte er wenig Lust, sich zu erheben. Die Erinnerungen an den gestrigen Abend waren wie ein exotisches Tier: faszinierend und beängstigend zugleich. Er kämpfte sich durch die Morgenroutine. Danach stieg er ein Deck höher auf die Brücke. Er wollte an die frische Luft und trat ins Freie. Es schien ihm, als nähme die Hitze von Minute zu Minute zu. Nicht mal ein einziges, kleines Wölkchen hinderte die schon hoch am Himmel stehende Sonne, ihre brutalen Strahlen auf die Erde herabzuschleudern. Obwohl er unter dem Sonnensegel stand, das über den Brückennocken aufgespannt war,

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