Kielwasser
wechselte mit Schumann einen Blick. Sie brachen die Befragung ab.
»Danke, Obergefreiter. Wir kommen wieder auf Sie zu. Halten Sie sich bereit«
Jung und Schumann schieden mit einem Gefühl der Erleichterung, das sie auch gehabt hätten, wenn sie die Quarantänestation eines Krankenhauses verlassen würden. Wortlos gingen sie in Schumanns Kammer und setzten sich einander gegenüber an den Tisch.
»Ich brauche ein Bier. Zwei sind am Tag erlaubt. Und du?«, fragte Schumann.
»Ich auch. Bitte mit Glas.«
Schumann holte die Bierflaschen aus dem Tischkühlschrank.
»Er ist ein Klotz. Wie können wir ihn so unter Druck setzen, dass er mehr als fünf Worte am Stück ausspuckt?«, überlegte Jung und beobachtete Schumann dabei, wie er das Bier einschenkte. Schumann nahm einen kräftigen Zug aus der Flasche und ließ Jungs Frage unbeantwortet.
»Er hat Angst. Fragt sich wovor. Was meinst du, Schumi?«
»Er ist verrückt. Mit dem stimmt was nicht.«
»Wie meinst du das?«
»Er ist Z 12er, Zeitsoldat für zwölf Jahre. Das habe ich vom SVO. Er ist im siebenten Jahr und Obergefreiter. Das ist so, als hätte man ihn auf die Sonderschule für Lernbehinderte verwiesen, verstehst du? Der ist fertig mit Jack und Bücks. Oder er ist sehr, sehr schlau.«
»Wie schlau? Was könnte an ihm schlau sein?«
»Er parkt sich bei der Marine ein, bleibt ein niederer Dienstgrad auf einem ruhigen Posten. Seine Vorgesetzten stellen keine besonderen Anforderungen an ihn. Er ist nützlich, aber für höhere Aufgaben nicht geeignet. Er hat auch diesbezüglich keinen Ehrgeiz. Er ist nicht ansprechbar, er bleibt unauffällig und erledigt, was ihm befohlen wird. Aber dahinter könnte was ganz anderes laufen, was keiner sieht und was keiner sehen soll.«
»Und wenn er beides ist, sowohl fertig als auch schlau?«
»Haben wir ein Problem. Da wird für uns nicht viel zu holen sein. Er ist dann schlecht zu packen. Jedenfalls solange unsere Waffen so stumpf sind.«
Sie schwiegen für längere Zeit und hingen ihren Gedanken nach.
»Was ist mit Drogen? Könnte er da mit drinstecken?«
»Könnte sein. Er ist ein Kandidat dafür, soweit ich das beurteilen kann.«
»Wenn es so ist, darf man ihm erhebliche Energien zutrauen, um an Geld und Stoff zu kommen.«
»Ja, das hört man von diesen Typen ja weit und breit.«
»Traust du ihm zu, den verschwundenen KaFü zu verstecken, zu versorgen und ihn heimlich von Bord zu bringen?«
Schumann sah Jung intensiv in die Augen und sagte: »Ja. Ich kann mich für deine Theorie erwärmen. Aber wir müssen an stichhaltige Beweise kommen. Dazu brauchen wir harte Fakten.«
»Und die Hilfsmittel, sie zu bekommen«, ergänzte Jung.
Die beiden tranken ihr Bier aus, schwiegen und überlegten.
»Wenn der alte KaFü wirklich an Land ist, müssen wir ihn einfach finden«, beendete Jung die Denkpause.
»Und wie stellen wir das an? Erinnerst du dich an unsere Sightseeingtour durch Dschibuti? Das kann ja heiter werden.«
»Er hat entscheidende Schwächen«, fuhr Jung unbeirrt fort. »Er ist weiß, er muss sich verstecken, er muss sich verständigen, er hat Hunger und Durst, er braucht einen Schlafplatz und Papiere. Wo findet er das am ehesten?«
»Er hat auch Geld, das ist nicht zu unterschätzen. Ein Versteck bei den Schwarzen wäre ideal. Das andere findet er eher bei den Weißen.«
»Genau. Die Anzahl weißer Menschen ist vergleichsweise gering und verteilt sich auf überschaubar wenige und vor allem für uns zugängliche Orte.«
»Zum Beispiel in Tadjoura«, ergänzte Schumann spontan.
»Eben. Und da fangen wir an. Dann werden wir sehen, wie weit wir kommen.«
»Okay, warten wir ab, bis wir in Dschibuti sind. Wann machen wir fest?«
»Ich erkundige mich«, beendete Jung ihr Gespräch.
Er meldete sich korrekt aus Schumanns Kammer ab, obwohl es ihm einmal mehr gegen den Strich ging. Er wurde von Schumann mit einem aufmunternden Blick belohnt.
Der Ausflug nach Tadjoura
Die nächsten Tage flossen träge dahin. Das Schiff schlich durch die unbewegte See, die Sonne heizte aus einem wolkenlosen Himmel, und der Kommandant zog einsam seine Mittagsrunden auf dem Flugdeck.
Jung wartete geduldig und in Ruhe auf Dschibuti. Er hatte viel Zeit zum Nachdenken. Er kam sich auf dem Schiff fremd vor. Er verstand diese Welt einfach nicht. Weder ihre Sprache noch ihre Gestik und ihre Rituale. Es gab Momente, in denen er wie im Dunkeln umhertappte. In den Briefings wurde unter den Stabsoffizieren eine Sprache
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