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Kielwasser

Kielwasser

Titel: Kielwasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Pelte
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gesprochen, die in ihm die Angst vor einem weltumspannenden Konflikt schürte. Dabei ging es – wie sich nachher herausstellte – nur um die Vermeidung von diplomatischen Fehlern anläßlich eines Beercalls. Ungeschicklichkeiten bei der Einladung hätten unter Umständen alte Amimositäten und Ressentiments zwischen Amerikanern und Franzosen heraufbeschworen.
    Außerdem hatte er das Gefühl, als ob man ihn um seine Ruhe beneidete. Der MET sah ihn vorwurfsvoll an, wenn er ihn tagsüber lesend in der Koje antraf. Das Wetter konnte nicht der Grund sein, dass er an Überarbeitung litt und jeden beneiden musste, der scheinbar besser dran war als er. Ähnlich erging es Jung mit anderen Besatzungsmitgliedern. Es schien ihm, als treibe eine unbeirrte Kraft sie an, so zu tun als ob, wo eigentlich gar nichts war. Ihn beschlichen Schuldgefühle, dass er sich herausnahm, was ihnen verwehrt blieb. Dabei spürte er deutlich, was die Besatzung sich insgeheim wünschte: Mein Gott, lass doch bitte endlich die heiße Luft aus der Scheiße. Warum fahren wir nicht einfach zur See und bringen den Kahn wohlbehalten von A nach B, klopfen Rost, streichen die Aufbauten, reparieren die Toiletten, waschen die Wäsche und freuen uns auf den nächsten Hafen? Was machten wir hier eigentlich? Die paar Daus und Kähne. Sollten die bedauernswerten Kerle in ihren Nussschalen doch machen, was sie wollten und was sie schon immer getan haben. Lassen wir sie in Frieden. 37
    Jung fühlte eine gekünstelte Atmosphäre, die eigentlich niemand herbeiwünschte, aber die keiner in der Lage war abzustellen. Allmählich vermochte er die Kümmernisse nachzuempfinden, über die der MET geklagt hatte. Die Enge und Zwangsgesellschaft wirkten auf die Dauer stressig, selbst auf ihn, der erst so kurze Zeit an Bord war und sich herausnahm, sorglos und entspannt in der Koje zu liegen und an nichts Böses zu denken.
     
    *
     
    Endlich machte ihr Schiff in Dschibuti fest. Schon bei der Ansteuerung waren Jung große Schlauchboote mit starken Außenbordern aufgefallen, bemannt mit bis an die Zähne bewaffneten GIs in dicken Kampfanzügen. Jetzt sah er einen Liegeplatz weiter ein großes Zweirumpfschiff liegen. Am Heck wehte das Sternenbanner. Auf den ersten Blick hätte man meinen können, einen Kreuzfahrer vor sich zu haben, der amerikanische Tauchtouristen zu den Korallengärten des Roten Meeres und des Golfs von Tadjoura brachte. Bei näherer Beobachtung waren aber die Lafetten schwerer Maschinenwaffen auf Back und Schanz nicht zu übersehen.
    Radpanzer sicherten die Zufahrten zu den Kaianlagen, die Rohre in den Himmel gereckt und die schweren Maschinengewehre auf Gleisanlagen und Stellplätze gerichtet. Die Pier war mit Sandsackbarrikaden und Stacheldrahtreitern gesichert. Amerikanische Soldaten patrouillierten auf den Molenbrüstungen und Kaimauern. Sie erweckten Jungs Mitleid. Er stellte sich vor, wie ihnen in der brütenden Hitze unter ihren Stahlhelmen, den schweren Schutzwesten mit den vielen Taschen und Täschchen, den umgehängten Gewehren und Maschinengewehren und in ihren dicken Kampfstiefeln der Schweiß strömen musste. Er versuchte, in ihren Gesichtern zu lesen. Aber ihre Augen waren hinter dunklen Sonnenschutzvisieren und ihre Münder und Nasen hinter Staubschutzmasken verborgen. Dazwischen nahmen sich die wenigen Dschibutis in ihren leichten Drillichuniformen mit Bermudas, Kniestrümpfen und altmodischen Gewehren aus wie ein Häufchen verlorener Freizeitsoldaten. Sie saßen schüchtern in ihren offenen Unterständen, die sie vor der brutalen Sonne schützten, und starrten stumpfsinnig in die Gegend.
    »Das sind die Folgen des Terroranschlags auf ihren Zerstörer ›Cole‹.« Schumann war neben Jung an die Reling getreten und schaute hinaus. »Gleich gegenüber, in Aden, hat es sie damals erwischt. Es gab mehrere Tote und Verletzte und ein großes Loch in der Bordwand. Der Eimer wäre fast abgesoffen. Ich möchte kein Amerikaner sein.«
    Jung lachte kurz auf. »Wer hätte jemals gedacht, diesen Satz aus dem Mund eines deutschen Soldaten zu hören?«
    Schumanns Antwort wurde von der Durchsage aus der Bordsprechanlage verschluckt. »Nach der Müllentsorgung ist die Stelling bis auf Weiteres für alle Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften gesperrt. Stationen aufklaren und wegtreten nach Anweisung Stationsleiter. Ende der Durchsage.«
    Jung sah Schumann an. »Schumi, wir müssen an Land. Was nun?«, fragte er unruhig.
    »Solange der Ami hier im Pier

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