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Kielwasser

Kielwasser

Titel: Kielwasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Pelte
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besonderer Typ gewesen sein. Ich kannte ihn nicht. Der war wohl mit der Marine verheiratet. Ich nicht. Ich bin mit meiner Frau verheiratet.«
    »Das Wetter ist nicht gerade abwechslungsreich. Ist es das?«
    »Nein, nein.« Er machte eine kurze Pause. »Außerdem stimmt das nicht.« Seine Augen leuchteten auf und ein Hauch Lebendigkeit sprach aus seinen Worten. »Ich hab hier Sandstürme erlebt. Das ist ein phänomenales Schauspiel. Wie in der Bibel. Gefährlich für das Schiff. Die Lüftungsfilter setzen dicht.«
    »Biblische Sintfluten auch?«, witzelte Jung etwas angestrengt.
    »Ja doch. Wenn auch nicht die ganz große. In Zeiten des Sommermonsuns ziehen gewaltige Gewittercluster hier durch. Vor allem über der Bergregion laden sie ihre Regenmassen ab. Das Wasser stürzt durch die trocken gefallenen Flussbetten in die Ebene und führt zu verheerenden Überschwemmungen.«
    Jung nickte und fragte unvermittelt: »Ich will bei unserem nächsten Hafenaufenthalt rüber nach Tadjoura. Muss ich damit rechnen, von einer Flut überrascht zu werden?«
    »Jetzt, im Spätherbst? Unwahrscheinlich. Aber nicht auszuschließen. Die innertropische Konvergenz schlägt in letzter Zeit überraschende Kapriolen.« Der MET machte eine wegwerfende Geste mit der rechten Hand und sah sinnend an die niedrige, von Kabeln, Rohren und Schaltern überzogene Kammerdecke.
    »Der Klimawandel«, seufzte Jung.
    »Alle Welt labert von Klimakatastrophe. Alles, was ungewöhnlich ist, wird gefürchtet. Manchmal habe ich den Eindruck, die Menschen lieben ihre Panik geradezu. Nein, nein, ein direkter Zusammenhang lässt sich nicht so einfach ableiten, jedenfalls nicht wissenschaftlich exakt. Früher hat es auch schon extreme Schwankungen gegeben. Nur hat sich dafür keiner interessiert. Wer wusste zum Beispiel vor wenigen Jahren schon, wo Dschibuti liegt?«
    Jung erhob sich. Der MET saß auf seinem schmalen Stuhl. Er sah ihn von unten herauf, mit schräg gestelltem Kopf an. Sein Ausdruck erinnerte Jung entfernt an einen Dackel. Das kurze Leuchten seiner Augen war erloschen und hatte der anfänglichen Müdigkeit wieder Platz gemacht.
    Jung sah auf seine Uhr. »Ich muss los. Wir sehen uns später.«
    »Bis später.«
    Er ließ den MET allein zurück. Hoffentlich würde er sich in den nächsten Stunden von seiner Depression erholen können.
     
    *
     
    Den Weg zu Schumann hätte er inzwischen im Schlaf gefunden. Er meldete sich bei ihm. Er musste sich zwingen, ohne provokanten Unterton in der Stimme auszukommen. Es gelang ihm leidlich.
    »Hallo, Tomi. Das Bier ist kalt. Brauchst du ein Glas?«
    »Ja. Spann mich nicht länger auf die Folter. Was hast du gestern herausgefunden?« Jung nahm gegenüber von Schumann auf der Bank Platz. Schumi ließ sich nicht zur Eile antreiben, holte die Bierflaschen aus dem Tischkühlschrank, entkapselte sie und schenkte Jung das Glas voll. Er selbst trank aus der Flasche.
    »Prost, Tomi. Trink erst mal. Du wirst es brauchen«, sagte er ruhig.
    »Du machst mir richtig Mut. Prost, Schumi.«
    Schumann nahm einen kräftigen Schluck und stellte seine Flasche betont sorgfältig beiseite. »Um es kurz zu machen, meine Mission war ein Fehlschlag. Nichts zu holen.«
    »Aber die Mädchen mochten dich doch.«
    »Schon richtig. Aber es ist ein Unterschied, ob du aufs Geratewohl da reinstolperst oder ob du eine Absicht verfolgst.«
    »Ja, das sehe ich ein.«
    »Die merken das irgendwie und werden vorsichtig. Und dann ist da noch die fremde Sprache. Komplizierte Sachen werden schwieriger. Ich wollte nicht so platt auf den Punkt kommen. Obwohl es letztlich auf das Gleiche hinausgelaufen wäre.«
    »Wie meinst du das?«
    »Sie haben schon meine vorsichtigen Fragen abgeblockt. Ich hatte das sichere Gefühl, sie wollten nicht über sich reden.«
    »Also nichts von einem weiteren deutschen Kunden?«
    »Negativ. Selbst über die beiden in Tadjoura kein einziges Wort mehr.«
    »Und weiter?«
    »Sie haben auf meine Kosten getrunken und rumgealbert.«
    Es entstand eine längere Pause, in der sie sich auf ihre Biere konzentrierten. Jung brach abrupt das Schweigen. »Sind Sie mit der Kriegskasse ausgekommen, Oberstaber?«
    »Sie ist leer, Herr Oberleutnant«, antwortete Schumann zerknirscht.
    So witzelten sie sich noch eine Weile über ihre Enttäuschung hinweg, bis Jung wieder ernst wurde und das Gespräch auf den Stellvertreter des verschwundenen KaFüs brachte. »Du weißt, ich will mir den neuen KaFü vorknöpfen. Ich möchte, dass du dabei bist.

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