Kill Decision
alarmiert. Es war ihr normales Krächzen.
Bald schon kam sie an einen Bach, der in klaren Strudeln über rundgeschliffene Steine floss und in stillen Bassins die Bäume widerspiegelte. Und dort am Ufer stand, an einen Baum gelehnt, Odin.
Er starrte grimmig ins Wasser, offenbar tief in Gedanken. Als ein Zweig unter ihrem Fuß knackte, sah er erschrocken auf.
Dass er so überrascht war, verblüffte McKinney. «Ich dachte, Sie hätten überall Augen. Ihre Gefährten scheinen Sie diesmal im Stich gelassen zu haben.»
Er blickte stirnrunzelnd zu den Raben im Geäst über ihm hinauf. «Da gewöhnt sich jemand wohl ein bisschen zu sehr an Sie.»
Sie ging zu ihm und blickte aufs Wasser. «Schön hier. Davon wusste ich gar nichts.»
Er nickte.
Sie bemerkte, dass er einen Spiegel und eine Schere in den Händen hielt. «Was haben Sie vor?»
«Mir den Bart abrasieren.»
McKinney machte ein übertrieben schockiertes Gesicht. «Ach? Muss doch ewig gedauert haben, den wachsen zu lassen.»
Er nickte wieder.
«Weit scheinen Sie ja noch nicht gekommen zu sein. So schwer der Abschied?»
«Offenbar schon. Aber der Bart war für eine Mission, auf die ich zu viel Zeit verwandt habe.»
Sie musterte sein Gesicht und trat dann näher auf ihn zu, als er sich in dem winzigen Handspiegel zu sehen versuchte.
Er hielt inne. «Was ist?»
Sie streckte die Hand aus, und als er zögerte, nahm sie ihm die Schere ab. «Ich kann es besser sehen. Soll er ganz ab?»
Er nickte.
Sie begann zu schneiden und bemerkte etwas Grau im schwarzen Barthaar. Mehr und mehr begann seine kräftige, klar konturierte Kinnpartie sichtbar zu werden.
Sein Gesichtsausdruck war immer noch hart und ernst.
«Alles okay?»
«Sie werden irgendwann gegen uns vorgehen, und ich will die Menschen hier nicht mit reinziehen. Was heißt, wir müssen weg.»
«Wohin?»
Er schien um Antwort verlegen. «Das ist ja das Problem. Ich versuche eine Möglichkeit zu finden, wie Sie zurückkönnen.»
«Und Sie? Sie werden weiter diese Leute jagen, stimmt’s?» Sie schnitt weiter und erahnte jetzt allmählich erstmals sein eigentliches Gesicht.
«Mir bleibt keine Wahl.»
«Wissen Sie denn inzwischen irgendetwas darüber, wer hinter dem Ganzen steckt?»
«Das ist das andere Problem, aber es ist mein Problem.» Er sah sie an. «Tut mir leid, dass ich Sie da hineingezogen habe.»
McKinney schnipselte immer noch weiter. «Sie haben mir das Leben gerettet. Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen.»
Er nahm das schweigend auf.
Sie trat einen Schritt zurück, fasste sein Kinn und drehte seinen Kopf hin und her. Sein Bart war jetzt millimeterkurz – Rasierlänge. McKinney wurde zum ersten Mal klar, was für ein attraktiver Mann David Shaw war, jetzt, wo sie sein ganzes Gesicht erkennen konnte. «Ohne diesen Bart sehen Sie viel besser aus.»
Sie ließ ihn los, und er prüfte ihr Werk im Spiegel, rieb sich über die Kieferpartie.
Er kniete sich hin und entnahm der Tasche zu seinen Füßen Rasierschaum und ein Klapprasiermesser. Als er sich wieder erhob, streckte sie die Hand aus.
«Lassen Sie mich das machen.»
Er beäugte sie skeptisch und hielt das Rasiermesser hoch. «Sie können mit so was umgehen?»
Sie nickte. «Ich war mal mit einem Schwimmer zusammen.»
Er sah sie komisch an.
«Fragen Sie nicht.»
Zögernd gab er ihr das Rasiermesser, zog sein T-Shirt aus und hängte es über einen Ast. McKinney bemerkte Narben auf seinem Rücken und seinen Schultern. Alte Verletzungen auf den Rippen, eine andere über dem rechten Schulterblatt. Sein schlanker, muskulöser Körper beugte sich geschmeidig, als er sich das Gesicht mit Wasser befeuchtete.
Er drehte sich zu ihr, und jetzt sah sie auch auf seiner Brust Narben; eine zog sich als haarlose Linie über seinen rechten Pektoralmuskel. Es war praktisch kein Gramm Fett an ihm.
Odin registrierte ihren Blick und deutete mit dem Kinn auf das Rasiermesser in ihrer Hand. «Und Sie kommen wirklich damit klar? Weil ich nämlich schon genug Narben habe.»
«Keine Sorge. Sind das alles Kampfverletzungen?»
Er sagte achselzuckend: «Bringt der Beruf so mit sich, wenn man ihn lange genug macht. Ich hatte mehr Glück als die meisten anderen.»
Sie zeigte auf die böse Narbe auf seiner Brust. «Was war das?»
Er blickte an sich herunter. «Trainingsunfall in Texas. Wir wurden über Bäumen abgesetzt. Mich hat ein Ast aufgespießt.»
Er registrierte ihren Gesichtsausdruck.
«Ach, Sie dachten, es wäre ein messerschwingender
Weitere Kostenlose Bücher