Kill Order
vertreten wie Berlin.“
„Was sagt uns das? Das er eine Schwäche für Berlin hat?“
„Dass er viel Zeit in der Stadt verbracht hat.“ Rafiq machte eine Pause. „Es sind sechsundzwanzig Bilder. Ich habe sie alle studiert.“
„Und?“
„Ich glaube, dass mindestens die Hälfte davon ein und denselben Ort zeigt, nur aus verschiedenen Blickrichtungen.“ Nun hatte er Katzenbaums Aufmerksamkeit. „Sieh mal hier, diese Serie – Berlin V bis VII. Das ist ein Platz mit einer Statue in der Mitte. Vielleicht auch ein kleiner Brunnen. Und jetzt“, sein Finger fuhr zu einem schmalen roten Viereck in der linken Bildhälfte, „hier. Siehst du? Könnte ein Fenster sein.“ Er tippte auf die Abbildung der gegenüberliegenden Seite. „Und hier.“
Eine Statue in Großaufnahme. Kopf und Schultern, die Körperlinie. Rafiq deutete auf einen roten Farbstrich zwischen den Grau- und Brauntönen. „Hier.“
Dann auf der nächsten Seite. Die Wand mit dem roten Fenster war in einem anderen Winkel gemalt, so dass sich der Rahmen direkt hinter dem Kopf der Statue befand. „Was denkst du?“
Katzenbaum zündete sich eine neue Zigarette an. „Gibt es noch mehr davon?“
„Es sind zehn Stück.“
„Mit der Statue und diesem roten Etwas?“
„Und noch mal fünf, auf denen zwar eine Statue ist, aber kein rotes Fenster. Könnte sein, dass sie einfach eine andere Blickrichtung zeigen.“
„Und du glaubst, das ist der Ort, wo er hinwill?“
„Er hat viel Zeit dort verbracht.“
„Es könnte aber auch sein, dass er besondere Erinnerungen mit dem Platz verbindet und deshalb den Teufel tun wird, Kusowjenko dort hinzuschleppen.“
„Weil es ein Sakrileg wäre? Möglich. Aber diese Theorie ist genauso gut wie meine. Nikolaj muss die Malerei mit einiger Passion betrieben zu haben. Und wo kennt ein Maler sich gut aus? An seinen Lieblingsplätzen. Weil er zig Stunden dort verbracht hat, um sie zu malen. Also, gesetzt den Fall, wir kriegen heraus, wo sie sich treffen. Was dann?“
Katzenbaum verzog die Lippen zu einem unbehaglichen Lächeln. „Wir überwachen sie. Belauschen das Rendezvous. Vielleicht fällt ja zufällig die Information, die wir brauchen. Und danach ...“ Er runzelte die Stirn. „Danach improvisieren wir.“
„Carmen darf nichts zustoßen.“
„Wir setzen Fedorow fest und sie ist aus der Sache raus.“
Rafiq legte die Arme in den Nacken und dehnte seine Muskeln. „Wenn ihr etwas zustößt“, sagte er, „dann werde ich das nicht einfach so hinnehmen.“
Als sie in der israelischen Botschaft ankamen, wartete ihre Verabredung bereits auf sie. Der Mann, den Grolanik organisiert hatte, lebte seit seiner Geburt in der Stadt. Sein Name war Felix Roth und er war zwanzig Jahre in Berlin Taxi gefahren, zehn davon in beiden Teilen. Als Rafiq ihn nach einem Platz mit einer Statue fragte, lächelte er. Dann hob er eine Hand und begann einzeln die Finger aufzurichten für jede Option. Als er zum vierten Mal die Faust ballte, unterbrach ihn Katzenbaum.
„Sie wollen damit sagen, dass diese Beschreibung auf hundert Plätze passt.“
„Das ist wahr.“
„Warten Sie“, Rafiq wühlte einen der Kataloge aus seiner Tasche und schlug die erste Seite auf, „wir meinen diesen Platz hier.“
Roth starrte auf das Bild. „Keine Ahnung.“
„Ein Platz mit einer Statue. Und auf der Rückseite ein vierstöckiges Haus mit einem rot gestrichenen Fenster im zweiten Stock.“
„Haben Sie sonst noch was?“, fragte Roth.
*
Sie fanden ein Restaurant in der Dresdner Altstadt, ein elegantes Lokal an der Brühlschen Terrasse. Kastanienbäume säumten die Uferstraße. Von ihrem Tisch konnten sie die Elbe und die beleuchteten Gebäude am gegenüberliegenden Flussufer sehen. Während des Essens vermieden sie es, über Kusowjenko oder überhaupt über ihre augenblickliche Situation zu reden. Stattdessen erzählte Carmen von Duisburg, der Industriestadt in Mitteldeutschland, in der sie aufgewachsen war, und in der ihre Eltern noch immer lebten. Nikolaj fragte sie, ob sie noch Kontakt zu ihnen habe. Carmen verneinte. Zu gefährlich, meinte sie. Es klang wie eine Ausrede.
Später am Abend schlenderten sie durch die Altstadt, vorbei am Albertinum und der Frauenkirche, die Töpferstraße hinunter bis zur Semperoper. Die Straßen waren voller Lichter und gut gekleideter Menschen. Sie gingen so dicht nebeneinander, dass ihre Schultern sich berührten. Und als sie es bemerkten, machte keiner von ihnen den Versuch,
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