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Kill Order

Kill Order

Titel: Kill Order Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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Vorsichtig spähte er an der Säule vorbei.
    Einer der beiden Männer lag reglos im Gras. Der andere war nicht zu sehen. Er schätzte die Entfernung zum Ende der Kolonnaden ab. Ein ziemliches Stück, aber von dort eröffnete sich ein Fluchtweg durch die Baustelle am Neuen Museum. Seine Schulter schmerzte vom Aufprall, als er sich auf den Boden geworfen hatte. Unwillkürlich tastete er nach dem Verband. Flüsternd perforierte eine Serie von Geschossen den nächststehenden Pfeiler. Splitter stoben nach allen Seiten, Schutt bröckelte zu Boden.
    Carmen blieb stumm. Er hoffte, dass sie auf ihn hörte und in der Sicherheit des Museumsgebäudes blieb. Als der Geschosshagel für einen Augenblick versiegte, löste er sich von der Säule und sprintete vorwärts zur nächsten, und dann zur übernächsten. Hinter ihm rissen Neun-Millimeter-Projektile Furchen in den Stein. Eine fünfzig-fünfzig Chance.
    Der Rasen neben ihm war leergefegt, die Straße auf der anderen Seite ebenfalls. Er rannte einen Zickzackkurs und wechselte er in raschen Abständen von einer Seite der Säulenreihe auf die andere, um den Schützen das Zielen zu erschweren.
    Der Bauzaun war noch dreißig Meter entfernt. Als er endlich den kreisförmigen Pavillon erreichte, der das Westende der Kolonnaden markierte, rissen die Feuergarben abrupt ab. In der Ferne krachten weitere Pistolenschüsse. Wer immer sie waren, sie mussten sich offenbar um zwei Fronten kümmern. Er presste sich gegen die letzte Säule. Vor ihm lag der Pavillon, dann kam der Bauzaun. Dazwischen eine freie Fläche, gut zehn Meter, die er ohne Deckung überqueren musste. Den Rücken an der Säule, schwenkte er den Arm mit der Waffe zur Seite und feuerte ein paar Mal in den Korridor. Bevor das Echo verhallt war, stürmte er los. Kies rutschte unter seinen Schuhsohlen. Der Bauzaun war nur noch acht Meter entfernt.
    Sieben.
    Sechs.
    Ein Phantomschmerz in seinem Rücken. Er wartete darauf, dass eine Kugel zwischen seine Schulterblätter schlug, auf einen wuchtigen Schlag, der ihn nach vorn schleuderte, den Schock, der gleichzeitig die Muskeln verkrampfte und dann die Agonie, die unvermeidlich folgen musste.
    Fünf.
    Der Kratzer auf seiner Stirn blutete unaufhörlich. Er blinzelte und hob im Laufen die Hand, um sich das Blut aus den Augen zu wischen.
    Vier.
    Aber sie schossen nicht. Vor ihm war der Spalt in der Absperrung.
    Drei.
    Ein Schuss krachte ungedämpft, und dieses Mal war es ganz nah. Seine Finger krampften sich um den Griff der Beretta, als ein Stoß von links ihn ins Taumeln brachte. Ihn durchzuckte der Gedanke, dass das die falsche Richtung war. Schwer stürzte er, seine Ellbogen bohrten sich in den Schotter, er rollte zur Seite, drehte sich. Der Schütze näherte sich von der Straße her. Nikolaj starrte ihm entgegen, während er schwankend die Pistole hochzog und mit der anderen Hand seinen Arm umklammerte, um die Waffe zu stabilisieren.
    Er feuerte. Dreimal, viermal.
    Klick.
    Der Bolzen schlug gegen Metall, ohne dass sich ein weiterer Schuss löste. Das Magazin war leer. Er beobachtete, wie dem Mann die Pistole entglitt, wie er auf die Knie stürzte, wie er schließlich nach vorn sank. Einer von Kusowjenkos Leibwächtern. Nikolaj tastete nach seiner Seite und fand Blut. Die Muskeln fühlten sich wie gelähmt an. Mühsam stützte er sich auf ein Knie, die Kiesel stachen durch den Stoff seiner Hose. Ihm war schwindlig. Taumelnd richtete er sich auf, zerrte die Sperrholzplatte zur Seite und zwängte sich auf die andere Seite des Zauns.
    Der Bauarbeiter lag noch immer bewusstlos am Boden. Auf der Innenseite der Absperrung waren auf ganzer Länge Wohncontainer aufgereiht. Nikolaj schlüpfte in eine Lücke hinter den Containern und lief ein Stück, seine Hand gegen die Wunde gepresst. Das T-Shirt unter seinem Griff sog sich binnen Sekunden voll Blut. Warm quoll es zwischen seinen Fingern hervor und lief ihm über den Handrücken.
    Nach ein paar Herzschlägen setzte auch der Schmerz ein. Keuchend lehnte er sich gegen eine Containerwand. Er ließ das leere Magazin aus der Beretta gleiten, zerrte mit zitternden Fingern ein volles aus seiner Jackentasche und rammte es in den Griff.
    Trügerische Ruhe hüllte ihn ein. Sein Trommelfell war betäubt von den Schüssen und ließ ihn alle Geräusche wie durch Watte wahrnehmen. Er starrte hoch zum Himmel in eine blendend helle Sonne und biss die Zähne zusammen, um den Schmerz zu unterdrücken. Dann, ohne die Beretta aus der Hand zu legen, schob er

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