Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kill Order

Kill Order

Titel: Kill Order Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
Vom Netzwerk:
seine Jacke beiseite und zerrte das T-Shirt hoch. Alles war voller Blut. Er tastete nach der Stelle, an der die Kugel eingedrungen war. Die Berührung ließ ihn heftig zusammenzucken. Übelkeit stieg ihm in die Kehle. Das war mehr als nur ein Kratzer. Sein Verstand analysierte das rational, ohne Wertung. Er musste das Blut abwaschen, um die Wunde genauer untersuchen zu können. Gut möglich, dass das Projektil noch in seinem Körper steckte.
    Der Wagen stand in der Dorotheenstraße. Das war nicht weit, aber unter diesen Umständen vielleicht unerreichbar. Draußen herrschte immer noch Chaos, er hörte vereinzelte Schüsse. Menschen schrieen durcheinander, rennende Füße auf der anderen Seite der Absperrung. Die Polizeisirenen waren verstummt. Mühsam stieß er sich von der Wand ab. Am Boden bemerkte er Blut, das von seinen Fingern auf die Steine getropft war.
    Er schob die Beretta in seinen Hosenbund, zog die Windjacke aus und zerrte sich das T-Shirt über den Kopf. Jede Bewegung bereitete ihm Qualen. Hastig knüllte er den Stoff zusammen und drückte ihn gegen die Wunde, um die Blutung zu stillen. Mit eckigen Bewegungen zog er die Jacke wieder an und schloss den Reißverschluss. Noch war keiner seiner Verfolger aufgetaucht. Mit etwas Glück brachten sie sich gegenseitig um.
    Er setzte sich wieder in Bewegung. Mit einer Hand presste er den improvisierten Verband auf die Wunde, die andere lag am Griff der Beretta. Seine Sicht verschwamm, er fuhr sich über die Augen, dann wurde ihm bewusst, dass sein Gesicht blutverschmiert sein musste. So wie er aussah, konnte er es vergessen, in der Menge unterzutauchen.
    „Nik?“, kam es plötzlich über das Mikrofon. „Nik, bist du noch da?“ Entweder hatte sie ihre Stimme gedämpft oder etwas störte die Verbindung.
    „Ich bin noch da“, murmelte er, während er mechanisch einen Fuß vor den anderen setzte. „Ich bin noch da, keine Sorge.“
    „Da unten ist die Hölle los. Wo steckst du?“
    „Ich suche mir einen Weg.“ Seine Lippen verzerrten sich zu einem Lächeln. „Bleib, wo du bist.“ Rauschen überlagerte die Verbindung. Die Störungen wurden stärker.
    „Nik“, unterbrach sie ihn, „was ist mit dir?“
    Er passierte den letzten Container in der Reihe. Vor ihm knickte der Holzzaun im rechten Winkel ab. Auf der anderen Seite lag die Brücke, die über die Spree führte. „Versprich mir, dass du das verdammte Museum nicht verlässt.“ Er überquerte das letzte Stück zur Absperrung mit weit ausgreifenden Schritten und spähte durch einen Spalt im Holz. Die Brücke lag still in der Septembersonne. Auf der Uferstraße fuhren Autos. Keine Polizei, dachte er erleichtert. Er hatte befürchtet, dass sie die Brücke absperren würden, aber das war nicht der Fall.
    Auf dieser Seite des Zauns brauchte er rohe Gewalt, um einen Durchschlupf zu schaffen. Durch die entstandene Lücke trat er auf die andere Seite und blieb kurz stehen, den Rücken gegen die Holzwand gedrückt. Niemand stürmte auf ihn zu, ihn empfing kein Kugelhagel, wie er es halb erwartet hatte. Stattdessen bot sich ihm ein unwirklicher Eindruck von Normalität.
    „Was ist passiert?“, rauschte ihre Stimme. Obwohl er sie kaum noch verstehen konnte, hörte er, wie ihr Ton in Panik überkippte. Er löste sich von den Brettern und lief auf die Brücke. Die Bodestraße war leergefegt. Nachdem die letzten Schüsse verstummt waren, herrschte gespenstisches Schweigen. Dann bemerkte er die Blaulichter am anderen Straßenende, Polizeiwagen, die sich von der Friedrichbrücke und der Straße Unter den Linden her näherten. Er beschleunigte seine Schritte, so gut er konnte.
    „Antworte mir!“
    Er streifte mit einer Hand das Brückengeländer, weil er das Gefühl hatte, jeden Augenblick das Gleichgewicht zu verlieren. „Es ist alles okay“, sagte er.
     
    *
     
    Lev Katzenbaum blieb im Wagen sitzen, während nicht weit entfernt die Hölle losbrach. Er telefonierte und versuchte gleichzeitig, die Umgebung im Auge zu behalten. Neben ihm auf dem Fahrersitz lag die Glock. In diesem Moment hasste er seine Unbeweglichkeit, die Schwäche, die mit der immer noch frischen Verletzung einherging. Er fühlte sich alt.
    Rafiq und Tal waren irgendwo im Bereich des Alten Museums in Deckung gegangen und versuchten herauszufinden, was eigentlich vorging. Zwei Parteien hatten eine Schießerei angezettelt. Eine der Gruppen war mindestens zu fünft. Die Kerle trugen Skimasken und schallgedämpften Sturmgewehre. Die anderen -

Weitere Kostenlose Bücher