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Kill Order

Kill Order

Titel: Kill Order Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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Triebkraft war Carmen. Seit Fedorow sie in Beirut entführt hatte, verstrickte Rafiq sich zunehmend in einer Spirale aus Zorn und Schuldgefühlen. Das Gewebe war dicht und komplex und es gelang ihm nicht, sich daraus zu befreien.
    In dunklen Momenten malte er sich aus, was Fedorow ihr angetan haben mochte. Die Fantasien waren hässlich und von Sprüngen durchzogen und dienten vor allem dazu, sich selbst zu geißeln und seinen Hass neu anzufachen. Dass sie an irgendeinem Punkt eine Vereinbarung mit Nikolaj geschlossen haben musste, schockierte ihn und erschütterte sein Bild. Sie hatte eben einen Weg gefunden, sich selbst zu retten. Carmen war keine Frau, die duldsam ihr Schicksal ertrug. Es war bewundernswert, dass es ihr gelungen war, ihren Entführer zum Vertrauten zu machen. Aber auf einer tieferen Ebene schmeckte es wie Verrat.
    Und Katzenbaum? Lev hatte andere Sorgen. Rafiq bezweifelte, dass er auch nur einen Gedanken an Carmens Verbleib verschwendete. Das frustrierte ihn, aber er verstand Levs Gründe, und das machte es nur noch schlimmer. Entnervt stand er vom Sofa auf. „Was heißt das jetzt? Was machen wir?“
    „Ich muss mit Shalev reden.“ Katzenbaum erhob sich gleichfalls und verzog schmerzhaft das Gesicht, als er das verletzte Bein belastete. „Und mit Grolanik, aber nicht am Telefon. Ich mache einen Ausflug in die Botschaft.“
     
    *
     
    Das Licht blendete ihn, als er erwachte.
    Seine Sicht klärte sich, der Raum nahm Konturen an. Ein leeres Zimmer, zwölf Quadratmeter, ein Fenster, Parkettboden. Eine beliebige Wohnung, dachte Nikolaj, irgendwo in Berlin.
    Seine Arme schmerzten. Er fühlte seine Hände nicht. Das lag an den Fesseln. Sie waren zu fest und ließen das Blut nicht zirkulieren. Aber vielleicht war das Absicht.
    Er versuchte zu rekapitulieren, wie er hierher gekommen war. Sein Blick fiel nach unten und blieb an einem breiten Verband hängen, den jemand um seinen Oberkörper gelegt hatte. Seine linke Seite fühlte sich taub an. Mühsam wälzte er sich herum und richtete sich in eine halb sitzende Position auf. Als er den Kopf drehte, registrierte er den Mann, der im Türrahmen lehnte und ihn beobachtete.
     
    *
     
    Rafiq stieß sich vom Holz ab und zog die Tür hinter sich zu. Mit einem leisen Klick rastete das Schloss ein. Erneut blieb er stehen und starrte auf Nikolaj hinab. Er wartete darauf, dass sich Genugtuung einstellte. Eine leise Befriedigung wenigstens. Dabei wusste er bereits, dass die Hoffnung vergeblich war. Die dominierende Empfindung in seinem Innern war Leere. Dahinter eine schwer greifbare Enttäuschung. Und der Eindruck, um etwas betrogen worden zu sein. Er schüttelte den Kopf und konzentrierte sich auf das Nächstliegende. „Wo ist Carmen?“, fragte er.
    Ein schwer deutbarer Ausdruck glitt über Nikolajs Gesicht. „Weiß ich nicht. Wir haben uns getrennt.“
    Rafiq machte einen Schritt auf ihn zu und sah ihm in die Augen. Angestrengt versuchte er zu ergründen, ob es Lüge oder Wahrheit war. „Das glaube ich nicht“, stieß er hervor. „Ich glaube nicht, dass du es nicht weißt.“
    Nikolaj antwortete nicht.
    „Sie hätte dort sein sollen.“ Rafiqs Selbstbeherrschung begann zu bröckeln. „Was hast du mit ihr gemacht?“
    Nikolajs Augen verengten sich für einen kurzen Moment. Überraschung? Oder etwas anderes? Rafiq versuchte, Carmens Gesicht in seiner Vorstellung zu materialisieren. Verstört realisierte er, dass es ihm nicht gelang.
     
    *
     
    Nikolaj war nicht einmal besonders überrascht, ausgerechnet Rafiq zu sehen. Ihm kam der Messerkampf in den Sinn, den sie sich an der zypriotischen Küste geliefert hatten. Er hätte ihn töten können. Hatte es aber nicht getan. Ein Fehler, vielleicht. Wie andere Fehler, die ihm davor und danach unterlaufen waren. Dann fragte er sich, warum er selbst noch am Leben war. Es konnte bedeuten, dass es Raum für Verhandlungen gab. „Woher willst du wissen“, fragte er, „dass sie noch lebt?“
    Etwas in Rafiqs Gesicht veränderte sich. Plötzlich wusste er, dass er das nicht hätte sagen dürfen. Er hatte eine unsichtbare Linie überschritten. Rafiqs Augen verrieten etwas, das Carmen ihm nicht erzählt hatte. Sie gaben viel mehr preis, als eine einfache Auflistung von Fakten sagen konnte.
    Und er verstand.
    Es schmerzte. Es schmerzte viel mehr, als er es sich je hätte vorstellen können.
    Sonnenstrahlen fielen durchs Fenster und malten rötliche Streifen an die Wand. In der Luft tanzte Staub. Rafiqs Fuß traf ihn im

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