Kill Order
Einundzwanzig. Zweiundzwanzig.
Entnervt wandte Rafiq den Blick ab. Vor zwei Stunden waren sie auf dem Flughafen in Larnaca gelandet. Doch heute Nacht würden sie nur Beobachter sein. Alles war organisiert. Sie operierten wieder mit offizieller Genehmigung. Tel Aviv hatte ein Team geschickt, Männer, die für diese Art von Operation ausgebildet waren.
Katzenbaum legte das Telefon ab und nestelte mit der freien Hand nach seinen Zigaretten.
„Wie weit noch?“, fragte Rafiq.
„Zwanzig Minuten.“
„Wie geht es weiter, wenn wir Fedorow haben?“
„Vor der Küste wartet eine Jacht. Sie bringt uns direkt nach Hause.“
„Gut.“ Sein Hals war trocken.
„Entspann dich. Wir haben Unterstützung von oberster Stelle.“
„Jetzt plötzlich wieder?“
Der Katsa lächelte. „Sonst hätten wir das Team nicht bekommen.“ Er ließ die Scheibe herunter und zog an seiner Zigarette. „In ein paar Stunden ist alles vorbei.“
Inshallah , dachte Rafiq und starrte aus dem Fenster. So Gott will.
*
„Kann ich eine Zigarette haben?“, fragte Carmen.
Wortlos hielt Nikolaj ihr die Packung hin. Sie hatten sich nebeneinander auf den Boden gesetzt, die Beine ausgestreckt, Rücken gegen die Wand. Draußen wütete der Sturm. Das Schiff schlingerte. Aus dem Maschinenraum war das Stampfen der Dieselmotoren zu hören. Nikolaj zog die Beretta aus dem Hosenbund und legte sie neben sich auf den Boden. Auf Carmens Gesicht trat ein undefinierbarer Ausdruck.
„Keine Sorge“, sagte er. „Ist nur wegen der Bequemlichkeit.“
„Wie geht es weiter? Wenn wir in Zypern sind, meine ich.“
„Wir improvisieren.“
„Du willst es mir nicht verraten. Weil du mir nicht vertraust.“
Er drehte den Kopf, um ihr Gesicht zu sehen. Zu seiner Überraschung spielte ein kleines Lächeln um ihre Lippen. „Ging es dir wirklich nur darum, den Hedschab loszuwerden?“
Ihr Lächeln vertiefte sich. „Vor allem denke ich über deine Zusicherung nach, mich nicht umzulegen.“
Bedächtig blies er Rauch aus. „Du traust mir das wirklich zu?“
„Du hast dich verändert.“
„Vielleicht liegt es daran, dass die Welt sich verändert hat.“
„Du willst sagen, du bist ein Opfer unglücklicher Umstände.“ In ihrem Tonfall schwang Ironie. „Ich würde dich gern was fragen. Versteh mich nicht falsch, ich werte nicht. Ich will es nur verstehen.“
Es ging um damals. Etwas in ihm wollte zurückweichen, aber er gestattete es nicht. Dieses Mal nicht. „Das ist nicht so gelaufen“, sagte er, „wie wir es uns vorgestellt haben.“
„Nein.“ Ihre Stimme klang ruhig. „Warum hast du dich für die andere Seite entschieden?“
„Was haben sie euch denn erzählt?“ Er hatte sie das schon vorher gefragt, in St. Erasmus, am Morgen nach der Schießerei in ihrem Apartment. Aber nun hatte die Situation sich verändert. Es war nicht länger eine Kraftprobe, ein Kampf um Informationen. Jetzt wollte sie reden.
Ihre Stimme klang flach. „Sie sagten, dass du einen Pass bekommen hast, ein Flugticket nach Europa und eine Menge Geld. Ich habe mich immer gefragt, wie viel es war.“ Sie musterte den Boden, dann blickte sie auf und sah ihn an. „Wie viel, Nik? Wie hoch war der Preis unserer Freundschaft?“
Er wollte ihr die Frage zurückwerfen. Er wollte sie fragen, wie viel man ihr und Rafiq gezahlt hatte, damit sie auf die Seite des Mossad wechselten. Und dann wurde ihm das Problem klar, das zwischen ihnen stand. Lügen, Spekulationen, Missverständnisse. Beschuldigungen. Sie hatte ihre Gründe, er hatte die seinen. Instinktiv breitete er die Handflächen nach oben.
„Ich mache einen Anfang. Ich sage dir, wie es gewesen ist. Das kannst du dann glauben oder nicht.“
„Mehr will ich gar nicht.“
„Gut.“ Nikolaj zündete sich eine neue Zigarette an. Die Lampe an der Wand flackerte. „Der Preis für euch. Warte.“
Er nahm einen tiefen Zug und blies den Rauch durch die Nase.
„Ich bin eingeknickt, als sie mir die rechte Hand zerschlagen haben. Ich dachte, ich könnte nie wieder einen Pinsel halten. Sie haben mich in diesem Dorf aufgegriffen, in Shab’a. Es waren nicht mal die Israelis, sondern eine Patrouille der SLA. Sie brachten mich zu ihrem Stützpunkt und verhörten mich.“ Er nahm einen weiteren Zug. „Du kannst dir ja vorstellen, wie das ablief. Es war jedenfalls kein Spaß. Danach wussten sie, dass ich an dem Anschlag auf den israelischen Checkpoint beteiligt gewesen war, und kontaktierten das israelische Militär. Dann
Weitere Kostenlose Bücher