Kill Order
schlimmer zu machen.
„Zuerst will ich diesen verdammten Umhang loswerden.“ Sie lachte auf, ein spröder, freudloser Ton. „Nein, vergiss es, war ein Witz. Also ja, das will ich schon, aber das ist nicht der Kern der Sache.“
Er warf einen verstohlenen Blick auf die Uhr.
„Ich dachte an einen Waffenstillstand. Du garantierst mir, dass ich lebend aus der Sache rauskomme und ich versuche nicht mehr, mir selbst zu helfen.“
„Das ist alles? Ich meine, gut für mich. Aber was ist für dich dabei drin?“
Sie antwortete nicht auf seine Frage. „Können wir uns darauf einigen?“
„Einverstanden. Ich lasse dich gehen, sobald ich sicheren Boden unter den Füßen habe.“ Er zögerte, überlegte, ob er noch etwas hinzufügen sollte. „Mehr will ich nicht.“ Das allerdings entsprach nicht ganz der Wahrheit. Aber es war etwas, das er zuerst mit sich selbst austragen musste.
Eine plötzliche Windböe trieb Wasser gegen den Holzsteg. Er sprang ein Stück zurück, konnte aber nicht verhindern, dass seine Hose bis zu den Knien mit Salzwasser getränkt wurde. Er murmelte einen Fluch.
„Okay.“ Carmen versuchte den Wind zu übertönen. „Wenn wir diese Vereinbarung haben, könnten wir dann vielleicht über erleichterte Haftbedingungen verhandeln?“
„Wie zum Beispiel, den Hedschab loszuwerden?“
„Ja.“
„Nein.“
„Nein?“ Ihre Stimme klirrte vor Enttäuschung.
„Unser Abkommen“, er lächelte, obwohl sie das in der Dunkelheit nicht sehen konnte, „braucht zuerst etwas Vertrauen. Das müssen wir erst mal aufbauen.“
„Du meinst, du traust mir nicht.“
Er musste lachen. „Carmen, was erwartest du? Ich meine, ich kann dich verstehen. Wirklich. Aber du musst auch mich verstehen. Und ganz platt gesagt, ich habe die Waffe, also mache ich die Regeln. Das ist zwar nicht demokratisch, aber so liegen die Dinge nun mal.“
„Gilt unsere Vereinbarung trotzdem noch?“
„Warum sollte sie das nicht?“
„Weiß nicht. Ich hatte gerade ein schlechtes Gefühl.“
Er wollte etwas erwidern, verstummte aber, weil er im Augenwinkel eine Bewegung bemerkte. Stimmfetzen durchdrangen den Wind. Ein Umriss löste sich aus der Schwärze. Im gleichen Moment stieß das Boot gegen den Holzpfosten. Ein Mann richtete sich auf und warf ein Seil um den Poller.
„ Bonsoir “, rief er. „Guten Abend! Ich bin Pierre.“ Er erklomm den Steg und zurrte das Seil fest. „Los, steigt ein“, sagte er in grobem Französisch. „Mein Bruder da unten fängt euch auf.“ Erst jetzt bemerkte Nikolaj, dass noch ein zweiter Mann im Boot hockte. „Wir haben ein bisschen Seegang“, fügte Pierre hinzu. „Aber noch nicht so schlimm, dass ihr euch Sorgen machen müsst.“
Sie hoben Carmen hinunter in das Boot, dann reichte Nikolaj dem Mann seine Tasche und sprang selbst hinab. Als Pierre das Seil löste, begannen die ersten Tropfen zu fallen. Sein Bruder ließ den kleinen Hilfsmotor an. Nikolaj stieß mit dem Fuß gegen einen losen Gegenstand auf dem Boden. Er bückte sich danach, ertastete Metall und Kunststoff und zog die Hand zurück, als er erkannte, was es war.
„M-16“, erklärte Pierre, „beste amerikanische Qualität. Nur zur Sicherheit, ja? Man weiß nie, wen man hier draußen trifft.“ Er quittierte seine Bemerkung mit einem Lachen.
Der Wind wurde stürmischer, je weiter sie auf die offene See hinausfuhren. Ein Stück vor ihnen blinkten die Positionslichter einer Küstenpatrouille. Eine heftige Böe erschütterte das Boot, einen Augenblick später ergoss sich ein Schwall Salzwasser ins Innere. Pierres Bruder begann zu fluchen, bis Pierre ihm mit einer Geste gebot, zu schweigen.
„Wir sind gleich da!“, brüllte er.
Nikolaj nickte nur. Einige Sekunden später stießen sie gegen den hoch aufragenden Schiffsrumpf. Der Kapitän hatte alle Lichter ausgeschaltet. Damit war der Kahn praktisch unsichtbar. Der Rumpf verschmolz vollständig mit der schwarzen Wasserfläche.
Die Brüder vertäuten das Boot und kletterten über eine rostige Eisenleiter an Deck. Durchdringender Fischgeruch empfing Nikolaj, als hilfreiche Hände ihn auf dem letzten Meter nach oben zogen. Er entdeckte drei weitere Männer in Öljacken.
„Vorsicht“, sagte einer, „die Planken sind glitschig.“
Er murmelte einen Dank und trat ein Stück von der Reling weg, damit die Männer das Boot aus dem Wasser bergen konnten. Man schob sie zu einer Treppe, die unter Deck führte. Hinter einer Blechtür öffnete sich eine kleiner Raum mit einem
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