Kill your friends
vierzig Jahre so weitermachen? Du bist doch nur irgendein Bühnenäffchen, irgendein Sing-und-tanz-Spasti mit einem dummdreisten Grinsen, dem das Schicksal gleich einen ganzen Haufen Sechser gewürfelt hat. Und jetzt starrst du vom falschen Ende auf vier Jahrzehnte und hast nichts weiter zu tun, als die zäh verrinnenden Stunden zu zählen. Dabei bist du zu blöd, eins und eins zusammenzuzählen. Hässliche Sache.
Dany Rent schleicht sich heran. Er ist ein Drecksack, ein echter Verbrecher von einem Manager, einer dieser Old-School-Tin-Pan-Alley-Typen, die man nicht mehr allzu häufig sieht: in den späten Vierzigern, Dreitagebart, abgetragener Armani-Anzug mit Hasch-Brandlöchern, schwere goldene Rolex (gefälscht) am rechten Handgelenk. Er sieht aus wie ein runtergekommener Nachtclubbetreiber aus Miami Vice und riecht, als wäre er nach einem viertägigen Scotch-Koma direkt in einen Bottich voller Aftershave gesprungen.
»Hey, Stelfox, was läuft?«, sagt er.
»Alles bestens«, sage ich.
»Hör mal, ich wollte dich ohnehin anrufen. Hab grad ’ne ganz gute Truppe an der Hand. War genau deine Kanne Tee.«
»Tatsächlich?«
»Aber hallo. Vier Schönheiten. Girlpower. Was sachste?«
Du lieber Himmel, ich wette, ausgerechnet in der Woche, in der die Spice Girls Nummer eins in den Staaten geworden sind, wäre sonst niemand auf den Gedanken gekommen. »Können die was?«, frage ich.
»Im Moment noch völlig unbrauchbar, Alter. Aber du würdest sie allesamt ficken. Wir arbeiten dran. Eine von ihnen hat was.«
»Wirklich? Wie heißen sie?«
»Zieh’s dir rein: Songbirds. Geschnallt?«
»Schon klar.«
»Gut, hast du Bock auf ein verdammtes Näschen?«
Girlpower. Ich bitte dich! Allerdings wird es in den nächsten Jahren eine ganze Reihe dieser Schlampen geben, die damit durchkommen. Keine Frage. Wenn es dein Geschäft ist, auch noch die allerletzte Scheiße an die großbritische Öffentlichkeit zu verkaufen, ist eines, was du sehr schnell lernst, dass es nach unten hin keine Grenzen gibt.
Scheiß Essen, scheiß Fernsehen, scheiß Bands, scheiß Filme, scheiß Häuser. Dieser Scheiß ist ein Fass ohne Boden.
Je beschissener du etwas machen kannst – eine schlechte Fotokopie einer schlechten Fotokopie von etwas, was von Anfang an eine schlechte Idee war –, sie fressen es mit dem verfickt größten Löffel, den sie finden können. Von morgens bis abends, von jetzt bis ans Ende der Zeit. Es ist einfach zu schön.
***
Später in der Nacht trudeln wir in der Met Bar und schließlich auf Parker-Halls »After-After-Party« in seiner Suite im darüberliegenden Hotel ein. Inzwischen sind wir allesamt zugekokst bis unter die Schädeldecke und dürfen einem ebenso zugekoksten Parker-Hall dabei zuhören, wie er diverse Varianten seiner »So hab ich’s gemacht«-Rede durchprobiert – sicherlich zum hundertmillionsten Mal in dieser Nacht. Hin und wieder unterbricht Chalmer, Crushs Produktmanager, mit langweiligen Details des Marketingplans, etwa wie groß die Ausgaben für die TV-Werbung sein werden, die intensivierte Posterkampagne und wen sie als Regisseur für das nächste Video kriegen werden. Chalmer ist bloß einer von tausend Vätern, die plötzlich Spalier stehen, um Crushs Erfolg den Stempel ihrer Elternschaft aufzudrücken. »Von jetzt an werden wir 30000 Alben die Woche absetzen«, sagt er.
Ich versuche, das zu überhören. Mein Gesichtsausdruck ist freundlich und gelassen, obwohl ich mich innerlich wie ein Dorfmädchen fühle, während es dem zehnten Soldaten in der Vergewaltigungsschlange ins Gesicht starrt, die Innenseiten ihrer Schenkel voller Blut und bereits einen halben Liter Sperma im Bauch. »Ich bin nicht hier«, rede ich mir ein. »Ich gehe im Wald spazieren. Ich gehe im Wald spazieren …«
Der Raum ist gerammelt voll: die versammelte Musikindustrie, die üblichen Mädchen und ein paar bekannte Musiker. Trellick sitzt mit verschränkten Armen und seriös nickend auf dem Sims der hohen Fenster, von denen aus man den Hyde Park überblicken kann, während ihn eine Tussi vollschwafelt. Daneben ist Damon Albarn in exakt dieselbe Art von Konversation vertieft. Ich klinke mich wieder ein. Parker-Hall sagt gerade: »Die verfickten Mixe waren völlig für’n Arsch. Ich sag zu Flood und Moulder: ›Jetzt passt mal auf, ihr Penner …‹«
»Entschuldigt mich«, sage ich.
Im Bad setze ich mich auf die Toilette, lege meinen Kopf zwischen die Beine und versuche tief und gleichmäßig zu atmen. Ich
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