Kill your friends
guter Plan heute ist besser als ein perfekter Plan morgen.«
Die Feier zu Waters’ Beförderung startet zur Lunchzeit in Harvey Nicks’ Bar im fünften Stock mit der kompletten A&R-Abteilung, plus Trellick und Derek. Von dort geht es weiter ins Quo Vadis zum Dinner und schließlich zum Soho House, bevor Waters und ich – beide voll wie die Strandhaubitzen und längst jenseits von Gut und Böse – uns abseilen und ein Taxi nach Camden nehmen. Dort wollen wir uns irgendeine überflüssige Band ansehen, die im Dublin Castle spielt. Wir bleiben zwei Songs lang, halten auf dem Parkway ein weiteres Taxi an und fahren – nach einem kurzen Zwischenstopp vor dem Haus eines Dealers in Chalk Farm, den wir beide kennen – zurück zu Waters’ Wohnung an der Westbourne Park Road.
»Du weißt, wie sehr ich dich respektiere«, sagt Waters und zieht, während ich den Wodka einschenke, mit lautem Quietschen eine dicke Line von dem großen Spiegel. »Ich möchte nicht, dass du das Gefühl hast, jetzt plötzlich für mich zu arbeiten. Wir arbeiten zusammen.«
Ich schließe die Augen und kippe etwa einen Achtelliter gepflegten Stoli mit einem Schluck herunter.
»Ich würde gerne eine Mentalität etablieren, in der …« Waters verliert sich in einer idiotischen Rhapsodie über seine Vision, darüber, welchen Typus A&R-Kultur er in unserer Firma zu begründen gedenkt. Worte und Namen wie »organisch«, »Chris Blackwell«, »Synergie« und »John Hammond« schwirren durch die Gegend. Sein dämlicher Drecksköter schnarcht zu seinen Füßen, während das Herrchen schnupft und schwitzt und theoretisiert. Die Konversation driftet ab und landet schließlich beim Thema »Große britische Songwriter«. Also bei der Sorte Mensch, die Waters gerne unter Vertrag nehmen würde. Waters sucht verzweifelt nach den richtigen Namen. Ich erwähne Paul Weller.
»Äh, ja. Er … er schreibt das meiste von seinem Zeug selbst, nicht wahr?«, sagt Waters und wirft den Kopf zurück, um einen zähflüssigen Klumpen Rotze die Nase hochzuschnorcheln, den er dann geräuschvoll die Kehle hinunterwürgt.
Über das ganze Zimmer verteilt liegen CDs herum, auf dem Couchtisch, dem Sofa, dem Boden. Ich hebe wahllos eine Hülle auf, um etwas zum Lesen zu haben, während Waters vor sich hin brabbelt. Inzwischen quatscht er davon, wie ihn sein Daddy auslachte, als er mit neun Jahren von seinem Fahrrad fiel. Ich habe derweil das letzte Prodigy-Album Music For The Jilted Generation in der Hand. Ich öffne die CD-Hülle und starre auf das Gemälde, das beide Innenseiten des Klappcovers ziert. Oder besser: verunziert. Das krude Kunstwerk zeigt einen Raver – langes, wehendes Haar, Springerstiefel, T-Shirt etc. –, der an einer Seite eines dunklen Abgrunds steht. Auf der anderen Seite wartet drohend eine Truppe Bereitschaftspolizisten mit Schlagstöcken und Plexiglas-Schilden. Die Gesichter der Polizisten sind von den Visieren ihrer Helme verdeckt. Der Raver steht vor einer idyllischen grünen Wiese, hinter ihm ein Soundsystem, ein DJ und andere Raver, die ausgelassen tanzen. Die Sonne scheint. Auf der gegenüberliegenden Seite sieht man hinter den Bullen eine düstere Industriemetropole: gewaltige Kühltürme, bedrohliche Wolkenkratzer und Fabrikschornsteine, die Schwefel in den düsteren Himmel speien. Die Bullen bereiten sich gerade darauf vor, die Hängebrücke zu überqueren, die beide Seiten des Abgrunds miteinander verbindet. Ihr Auftrag lautet, den Ravern eine ordentliche Tracht Prügel zu verpassen. Aber, jetzt kommt’s, der Anführer der Raver hält einen Säbel an das Seil der Brücke, um es zu durchtrennen und die Pläne der Polizei zu durchkreuzen. Er zeigt den Bullen den Mittelfinger. Die Qualität des Gemäldes ist wirklich entsetzlich. Es sieht aus, als hätten es ein paar geistig behinderte Kinder während eines Kunstprojekts in der Sonderschule gemalt.
Waters unterbricht das Drapieren weiterer Lines und späht über meine Schulter. »Das ist ziemlich gut, findest du nicht auch?«, sagt er.
Für lange, lange Zeit starre ich sprachlos auf das Bild. Ich kann nur noch daran denken, wie sehr ich mir wünschen würde – mal angenommen, ich müsste in der auf dem Prodigy-Cover abgebildeten Welt leben –, auf der Bullen-Seite des Abgrunds zu stehen. In dieser verkommenen Stadt, mit ihren Kasinos, Nutten und Tankstellen. Den Fünfsternehotels, Sex-Shops, Nachtclubs und Banken. Ich bin plötzlich von einer tiefen und unerwarteten Zuneigung für die
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