Kill your friends
Hände.
Barry meldet sich zu Wort. »Es scheint einfach die Sorte Platte zu sein, für die wir, um die maßgeblichen Club-DJs davon zu überzeugen, etwas Radio-Airplay brauchen.«
Hannah: »MTV mochte das Video eigentlich ganz gern. Aber sie werden es nicht auf die Playlist nehmen, bevor es nicht im Radio läuft.«
Die ganze Zeit über funkelt Derek mich an. Mit dem eilig geschossenen Video, das wir auf meinen Druck hin produziert haben, hat uns dieser Blindgänger weitere 100000 Pfund gekostet. Blindgänger? Eine Beleidigung für jeden wirklichen Blindgänger. Das Ding ist ein beschissener Blindtaubundstummgänger.
Ross: »Kommt nicht in die Tüte, dass wir richtig in die Werbung oder eine große Posterkampagne investieren, bevor wir nicht etwas Aufmerksamkeit bei Radio und Fernsehen haben.«
Suzy: »Ich befürchte, die Presse ist nicht allzu interessiert. Wir bekommen eine Besprechung im Mixmag.«
Nicky: »Es sieht leider so aus, als könnte ich im Moment nicht viel daran ändern.« Sie bemüht sich, mitfühlend auszusehen. Aber die Fotze bringt es kaum zustande, dass ein Lächeln ihre fette Fratze nicht in zwei Hälften teilt.
Schließlich platzt Derek der Kragen: »WOLLT IHR MIR ALLEN ERNSTES ERZÄHLEN, DASS WIR BEINAHE HUNDERT VERFICKTE RIESEN FÜR EINE PLATTENKRITIK IM MIXMAG BEZAHLT HABEN! JESUS CHRISTUS!«
Ich starre wortlos auf den Glastisch beziehungsweise durch den Glastisch auf den Teppichboden. Dabei stelle ich sinnloserweise fest, dass Dunn die gleichen Prada-Schuhe wie ich trägt. Es gibt nichts zu sagen. Wenn es etwas zu sagen gäbe, würde ich es sagen.
Derek hasst die Platte. Die Marketingabteilung hasst die Platte. Die Clubpromotion hasst die Platte. Die Radiopromotion hasst die Platte. Ich möchte Rudi umbringen, dieses verfickte, kinderfickende Tier von einem verfickten Nazi-Drecksack. In einem selbst für die Unterhaltungsindustrie einzigartigen, bizarren alchemistischen Prozess hat sich mein Mitbringsel aus Cannes auf mysteriöse Weise vom Krebsheilmittel in etwas verwandelt, das der Ursache von Aids ähnelt.
Schließlich blickt Derek in die Runde und fragt ohne eine Spur von Enthusiasmus: »Also, wohin geht’s nun mit dieser Platte?«
»Lourdes?«, schlägt Ross wenig hilfreich vor.
***
Es kommt, wie es kommen musste. Schneiders Vertrag, der gegen Ende des Sommers ausläuft, wird nicht verlängert. Er kriegt eine Abfindung und darf seinen Schreibtisch räumen. An seinem letzten Tag gehe ich mit ihm einen heben. Es ist drei Uhr nachmittags, und das Pub ist leer. Draußen fällt ein leichter Sprühregen über Hammersmith. Trotzdem ist es warm. Die Türen des Pub stehen offen, und auf dem nassen Asphalt zischen die Autos vorbei. Schneider schwenkt das Eis in seinem Wodka, gibt sich optimistisch und zieht die komplette »In gewisser Weise das Beste, was passieren konnte«-Scheiße ab. »Was hast du jetzt vor?«, frage ich.
»Ich hatte eine Reihe interessanter Angebote«, lügt er. Ich meine, scheiße. Er hat seit Jahren keinen richtigen Hit gelandet. Er ist neununddreißig – mit Frau und zwei Kindern –, und plötzlich – bumms! – heißt es »Gute Nacht, Freunde«. Bestenfalls ergattert er einen Mitleidsjob bei irgendeinem Reissue-Label, durchforstet einen Backkatalog nach dem anderen und bricht sich einen dabei ab, die Rechte für eine Eddie & The Hotrods-Live-LP zu kaufen. Während er weiter von nicht vorhandenen Job-Offerten labert, plärren aus der Jukebox erst Alisha’s Attic, dann Kula Shaker und schließlich Mansun. Mir dämmert, dass das allesamt Bands sind, die Schneider – und in der Folge auch ich – in den letzten zwei Jahren entweder abgelehnt oder bei denen er den Vertragsabschluss vergeigt hat. Alle haben inzwischen Hits. Jede Einzelne hätte ihn vermutlich gerettet. Aber er hat sich für Rage entschieden. Der Mann, der alles auf Rot setzte …
»Wer weiß, wozu es gut ist«, sagt er, »aber ich habe Derek gesagt, er sollte dich zum Head of A&R ernennen.«
Scheißdreck. Hilfestellung von einem Versager wie Schneider könnte in meinem Fall mehr schaden als helfen. »Tatsächlich? Danke dir. Was hat Derek dazu gesagt?«
»Dass sie den Job vermutlich Waters geben.«
Er leert sein Glas, knallt es aufs nasse Mahagoni und bestellt mit müder Geste ein neues. »Tut mir leid«, sagt er, ohne mich anzuschauen, »scheint ein schlechter Zeitpunkt für diese Platte von Rudi zu sein.«
***
Keine Frage: Manchmal ist schnelles Handeln oberstes Gebot. »Ein
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