Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kill your friends

Kill your friends

Titel: Kill your friends Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Niven
Vom Netzwerk:
beginnt zu kreischen. Sachen wie »Nein! Nein! Mein Sohn! Mein Sohn!«. Viele Mädchen in der Menge fühlen sich dadurch ermutigt, noch heftiger zu heulen, bis ein paar alte Hexen die Mutter beruhigen und vor die Tür bringen.
    Als wir einige Minuten später nach draußen gehen, müssen wir in einer Reihe an der Familie vorbei. Ich schüttele dem Vater die Hand und erzähle ihm, wie sehr es mir leidtut, und dass ich seinen Sohn über die Arbeit kannte. Er nickt wortlos. Die Mutter steht nicht dabei, es sind bloß der Vater und die Schwestern. Eine der beiden würde ich nicht von der Bettkante stoßen: Sie hat ihre großen Titten straff in ein schwarzes Kleid gezwängt, das ihr ein wenig zu eng ist, und trägt leuchtend roten Lippenstift. Ich drücke sie ziemlich heftig, und dann bin ich draußen auf den Stufen der Kirche und zünde mir in der widerwärtigen nordenglischen Luft eine Zigarette an.
    Ross verschwindet, um es noch mal im Büro zu versuchen. Er will hören, ob sie die aktuellen Charts schon bekommen haben. Trellick versucht, Fisher zu erreichen. Und ich rufe im Büro an, um mit Rebecca zu sprechen. Ich will sichergehen, dass sie mir für morgens ein Taxi zum Flughafen nach Heathrow bestellt hat. (Ich fliege morgen früh nach Miami, zur verfickten Winter Music Conference – im Prinzip so was wie die MIDEM, bloß für Dance Music. Und dann weiter nach Texas zur verfickten South By South West – im Prinzip so was wie die Winter Conference, nur mit Indie-Musik. Es ist überall das Gleiche, überall eine Springflut organisierter Businessdeppen außer Rand und Band.)
    Wir drei stehen ein wenig abseits, rauchen und sprechen in unsere Handys. Derweil kommen immer mehr Leute aus der Kirche. Schließlich wird der Sarg herausgetragen.
    So. Viel. Scheiß. Respekt.
    Rebecca ermahnt mich, an die Anschlusszeiten und den Check-in-Firlefanz zu denken, als der Sarg in den großen Leichenwagen gerollt wird. Die Leute verabschieden sich, weinen und umarmen einander. Walters Mutter wird auf einer Bank von zwei alten Damen in den Schwitzkasten genommen. Sie zuckt und windet sich wie eine am Gitter rüttelnde Insassin einer viktorianischen Irrenanstalt. Die Alte ist verrückt vor Gram.
    Wow, denke ich bei mir und erinnere mich an den Ausdruck auf Waters’ spastischem Gesicht, als er starb. Es ist schon was Besonderes, jemanden umzubringen – und für all das hier zu sorgen.
    ***
    »Das Wort ›Star‹ lässt sich nicht ohne A&R buchstabieren.«
    Ronnie Vanucci
    ***
     
    »Vielleicht sollten wir ausgehen«, sagt jemand.
    »Nein … ich … das wäre nicht gut«, sagt jemand anders. Möglicherweise ich. Schwer zu sagen, wer was sagt, denn unsere Stimmen klingen inzwischen alle gleich. Allesamt gebrochen, geisterhaft flüsternd, ergeben sie ein statisches Knistern im Raum. Fragmente verschiedener Unterhaltungen sausen wie Querschläger um mich herum. Alles redet, sich überschneidend, asynchron und aneinander vorbei.
    Die Suite ist dunkel und die Vorhänge zugezogen. Das einzige Licht stammt von ein paar Nachttischlampen und dem sanft flackernden Porno auf dem Bildschirm.
    »Wir brauchen bald mehr Koks.«
    »Der Typ bringt es schon.«
    »Dieser schwarze Typ? Oh Scheiße …«
    »Geh ins Badezimmer.«
    »Und wir brauchen mehr verfickten Fusel. Ich brauche Whiskey.«
    »Hast du den Stardust-Bootleg gehört?«
    »Ich kann dem nicht in die Augen sehen …«
    »Sagt dem Room-Service, sie sollen die Minibar wieder auffüllen.«
    »Versteck dich im verfickten Badezimmer.«
    »Geiler Track.«
    »Oh, mein Gott. Der Room-Service darf mich auf keinen Fall sehen. Ich glaube, ich hab einen Herzinfarkt.«
    »Versteck dich im Bad, du Idiot.«
    »Ich finde, wir sollten ausgehen.«
    »Verpiss dich.«
    »Also gut, ihr Schwänze. Ich rufe den Room Service.« Das ist Leamingtons Stimme.
    Wir sind jetzt seit 36 Stunden in Miami, und ich muss auf der Stelle diesen Raum verlassen. Ich balanciere quer durch die abgedunkelte, übel riechende Suite (wir sind in dem Hotel, in dem Teile von Goldfinger gedreht wurden, wie überflüssigerweise alle fünf Minuten irgendjemand anmerkt) zum Fenster und ziehe nervös die Vorhänge ein paar Millimeter beiseite. Ein dünner Strahl giftigen Sonnenlichts lasert durch den Raum, und für den Bruchteil einer Sekunde erblicke ich flüchtig den Himmel, grüne Palmen, dahinter den Strand und den Ozean. Doch schon werde ich angeschrien, ich solle die verfickten Vorhänge zuziehen. »Ich wollte bloß … äh … mal

Weitere Kostenlose Bücher