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Kill your friends

Kill your friends

Titel: Kill your friends Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Niven
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ich kam«-Zeug. Ich nehme mir vor, möglichst viele von ihnen auf die Straße zu setzen.
    Ein Express-Umschlag mit einem EMI-Adressaufkleber liegt auf seiner Tastatur. Ich greife hinein und ziehe eine Promo-CD heraus. Ich versuche, im Dämmerlicht etwas zu erkennen: Radiohead. Ihre neue Single, die frühestens in einem Monat erscheint, und die ich noch nicht kenne. Dunn sagt, die meisten Radiosender haben sie abgelehnt. Ich schiebe sie in Waters’ CD-Player, und ein abartiger, grauenhafter Krach erfüllt den Raum. Ich drehe leiser.
    Ich öffne die oberste Schublade seines Schreibtischs und durchwühle sie: Taxi- und Restaurantquittungen, halb ausgefüllte Spesenabrechnungen, Kassetten und CDs, Kulis und Stifte, ein paar leere Kokainbriefchen, ein halb volles Briefchen …
    Ich lege mir die Line auf sein Mousepad. Das Mousepad ziert ein Foto von Hervé Villechaize, dem zwergwüchsigen Schauspieler, der Nick Nack in »James Bond« und Tattoo in Fantasy Island gespielt hat. (Wie so viele Kerle in der Plattenbranche von Ende zwanzig, Anfang dreißig, hielt Waters beschissene Fernsehshows der 70er und 80er für cool.)
    Hervé war 1,20 Meter »groß« und wog 25 Kilo, aber der bescheuerte Zwerg verliebte sich in eine ausgewachsene Frau und heiratete sie. Als sie sich von ihm scheiden ließ und seine ganze Kohle mitnahm, drehte er durch: Er verfiel Schmerztabletten, Scotch und Koks und kam auf die fixe Idee, sich umzubringen. Er hat seinen eigenen Selbstmord sogar auf Band aufgenommen. Ehrlich. Er schnappte sich einen Kassettenrekorder, drückte »Aufnahme«, presste sich ein Kissen gegen die Brust, hielt eine große Knarre gegen das Kissen, sagte »Mach’s gut, mein Liebling« und schoss sich durch sein winziges Herz.
    Oder besser: Er versuchte es. Irgendwie verfehlte er alle lebenswichtigen Organe, musste die Knarre noch einmal spannen und erschoss sich ein zweites Mal. Offenbar endet das Band damit, dass er wimmernd und stöhnend sagt: »Ohhh, tut das weh, tut das weh. Ich sterbe … ich sterbe jetzt.«
    Der Radiohead-Track, der »Paranoid Android« heißt, mündet über ein entsetzliches Crescendo aus gekünsteltem Lärm in ein undefinierbares Finale, über das dieses mongoäugige Arschgesicht Thom York die Worte »rain down« blökt und trällert. Was, zum Teufel, haben die sich bei diesem Schwachsinn gedacht? Sie sind am Ende. Kein Schwanz wird das hören wollen.
    Ich schalte es aus, sitze in Waters’ Büro in der stillen Dunkelheit und ziehe mir den letzten Rest von seinem Koks rein. Ich verschwende noch einige Gedanken an Hervé Villechaize. Dann wird es Zeit, ins Borderline zu gehen, um eine Band namens The Hitchers unter die Lupe zu nehmen, die Lamacq ziemlich abgefeiert hat.
    ***
     
    Irgendwie scheint der Wagen vom Flughafen ungewöhnlich lange zu brauchen. Jedenfalls sind wir, als wir schließlich an der Kirche vorfahren, wie immer zu spät. Während Trellick ein Gespräch auf seinem Handy beendet, steige ich aus dem Wagen und sehe mich um. Der Himmel ist grau, der Wind bläst, es ist ein Tag, an dem man am liebsten zu Hause bliebe. Am Fuße der Hügel sehe ich in weiter Ferne eine große, trostlose Stadt. Sheffield oder so.
    Großer Gott, ich hasse es außerhalb Londons.
    Der Taxifahrer will uns etwas mitteilen, aber er kommt aus dem Norden, und keiner von uns versteht ein Wort. Ross steckt ihm einen Fünfziger zu und gibt ihm zu verstehen, er solle auf uns warten. Der Fahrer betrachtet den großen, erdbeerfarbenen Schein ungläubig und steckt ihn so vorsichtig in seine Hemdtasche, als wäre es eine wertvolle Schriftrolle. »Zahl deine Hypothek ab, Kumpel«, sagt Ross, als wir gehen. Wir treten durch das Tor und laufen über einen Pfad in Richtung des steinernen, grauen Gebäudes, von wo aus uns leise, abscheuliche Orgelmusik entgegenhallt.
    Drinnen sind ein paar Hundert Leute, und es ist so voll, dass wir nur noch ganz hinten Platz finden. Ein Pfarrer labert irgendetwas über Waters: »… in der Londoner Musikindustrie, wo er großen Erfolg und Ansehen genoss und etliche Freunde hatte, von denen so viele heute hierhergereist sind. Bereits als Junge war Roger immer ein großer Musikfan und genau deshalb …«
    Es war deutlich einfacher, als ich es mir vorgestellt hatte. Zwei Polizisten kamen, um mich zu befragen, da ich mit Waters in der Nacht seines Todes unterwegs war. Ich erzählte ihnen, wir wären nach Camden gefahren, um uns einige Bands anzusehen, und dass ich ihn auf dem Weg nach Hause mit dem Taxi

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