Killashandra
kam niemand mehr, und Killashandra konnte ihre Wangen wieder entspannen. Sie ließ den Kopf kreisen und wackelte nicht sehr würdevoll mit Lippen und Nase, um die verkrampften Muskeln zu lockern. Man weiß nie, wann man das Training zum Sänger einmal braucht, dachte sie, als ihr Quartett leise schnaufte. Sie setzte wieder eine amtliche Miene auf und blickte gerade rechtzeitig den Flur hinunter, um die feierlich anrückenden Würdenträger zu bemerken.
Die sieben Gestalten, die heranschritten — das richtige Wort, um ihre Annäherung zu beschreiben —, waren gekleidet wie alle anderen hochrangigen Optherianer, doch sie bewegten sich im Bewußtsein ihrer Autorität. Es waren vier Männer und drei Frauen, die das übliche leichte Lächeln aufgelegt hatten. Killashandra sollte bald erfahren, daß ihre Gesichter durch Chirurgie und Übung sorgfältig modelliert waren, um eben diese Heiterkeit zu zeigen; denn das Lächeln erreichte nicht die müden, gelang-weilten und alten Augen.
Zu ihrer Beruhigung erfuhr Killashandra sofort, daß der Älteste Ampris der einzige optherianische Herrscher war, mit dem sie viel zu tun haben würde. Er war im Augenblick für den Music Complex verantwortlich.
Falls je eine Auszeichnung für den besten Charakter-darsteller unter Planetenherrschern vergeben werden sollte, dann hatte Ampris gute Aussichten, den Preis zu gewinnen. Wegen der Widersprüchlichkeit von Augen-und Gesichtsausdruck hätte Killashandra beinahe das Fünkchen Humor übersehen und den plötzlichen Stich im Herz nicht bemerkt, der ihr verriet, daß sie vor einer verwandten Seele stand. Die anderen, deren Namen Killashandra sofort wieder vergaß, schüttelten ihr zum Willkommen fest die Hand, murmelten ein paar Worte über die >beschwerliche Reise, die sie angesichts der planetarischen Krise auf sich genommen< habe und gingen weiter, nachdem sie ihre Pflicht getan hatten. Sie alle warteten, ohne den Anschein des Wartens zu erwecken, über der rechten Treppenflucht. Als sie Ampris' Hand schüttelte, spürte Killashandra einen kleinen elektrischen Schlag. Sie sah ihm in die hellen wissenden Augen und lächelte zum ersten Mal an diesem langen Nachmittag aus ganzem Herzen.
»Wir werden später noch Zeit zum Reden haben, Gildenfrau. In der Zwischenzeit wollen wir den anderen mit unserer Anwesenheit den Nachmittag vergolden.« Seine nachlässige Geste umfaßte den ganzen Raum, nicht nur die geduldig wartenden Würdenträger in der Schlange.
Thyrol blickte zu Killashandra, die eine Hand auf Ampris' Arm gelegt hatte, dann wandte er sich an die nächste Älteste und bot ihr seinen Arm. Kein Durcheinander, keine Verwirrung, keine Unklarheit, wer wen eskortierte oder wer allein gehen mußte; alles war geplant und bis ins letzte Detail festgelegt, und sogar Unvorher-gesehenes wurde abgefangen. Offenbar hatte niemand erwartet, daß Ampris Killashandra die Ehre erwies, sie persönlich zu begleiten.
Killashandra fragte sich, ob die Lebensmittel rationiert waren, denn nach zwei Bissen war jeder der vier kleinen Teller abgeräumt, und nach fünf Schlucken war auch das Weinglas leer. Doch sie gehörte zur glücklichen Minder-heit, deren Gläser nachgefüllt und deren leere Teller gegen volle umgetauscht wurden.
»Das hier wird bald vorbei sein«, murmelte Ampris, fast ohne die Lippen zu bewegen. »Wir werden noch ei-ne richtige Mahlzeit bekommen, wenn die unteren Dienstgrade bedient sind und sich wieder um ihre Arbeit kümmern.«
Er sprach weder höhnisch noch gehässig; Ampris stellte einfach eine Tatsache fest, die den Hauptteil der Versammelten betraf.
»Nachdem sie die Gnade genossen haben, sich im gleichen Raum aufzuhalten wie eine leibhaftige Kristallsängerin?«
»Allerdings!« Ampris erwiderte ihren Blick fest und unbeirrt, doch er blinzelte ihr unauffällig zu. »Drei Minuten, nachdem Sie in der Krankenstation eingetroffen waren, hatte die Kunde von Ihren regenerativen Kräften schon den Keller erreicht.«
»Aber Sie leben doch hoffentlich nicht im Keller?«
Ampris blinzelte wieder mit seinen hellbraunen Augen.
»Der Sitz allen Wissens ...«
»Damit Sie bis zum Grund der Dinge vordringen können?«
»Aber natürlich.«
»Und eine Stelle, die äußerst sicher ist?« neckte Killashandra ihn. Warum nicht mit den verdeckten Nachforschungen ganz oben ansetzen?
»Die Frage der Sicherheit ist auf einer gut geordneten Welt wie Optheria nie ein Problem.« Er neigte den Kopf, um drei Würdenträger zu begrüßen, die um die
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