Killashandra
umgestellt hatten, sah sie rechts eine Bewegung und ging hinüber. Sie verrenkte sich in den Löchern, die Lars' wütende Füße in den Sand gestampft hatten, fast den Knöchel.
Sie sah seine Gestalt vor dem dunklen Himmel, eine düstere gespannte Silhouette.
»Lars ...« Sie wußte nicht genau, was sie sagen sollte, um ihm die Spannung zu nehmen, aber er durfte nicht allein sein, er durfte nicht das Gefühl bekommen, daß man seine Musik nicht mochte, daß die Fülle des reichen Bildes, das er seinen Zuhörern geschenkt hatte, nicht verstanden worden war.
»Laß mich ...«, begann er mit bitterer Stimme, doch dann streckte er den Arm aus, nahm ihre Hand und zog sie heftig an sich. »Ich brauche eine Frau.«
»Ich bin da.«
Er hielt ihre Hand fest und zog sie einen Abhang hinauf. Dort führte er sie, dicht an sie gedrängt, im rechten Winkel zum Strand weiter in die dichten Schatten eines Brotbaumhaines auf einer Landzunge, ganz in der Nähe der Stelle, an der sie am Morgen gestrandet war. Als sie versuchte, ihn etwas zu bremsen, nahm er energisch ihren Ellbogen. Sein Griff jagte einen Stromstoß durch ihren Körper, seine Finger schienen ihr sein Drängen zu übermitteln, und die Vorfreude lief ihr wie ein Schock durch Brust und Bauch. Sie hatte keine Ahnung, wie sie es schafften, den Stämmen der Brotbäume auszuweichen und nicht über die dicken knotigen Wurzeln zu stolpern. Dann wurde er plötzlich langsamer und murmelte, sie solle vorsichtig weitergehen. Sie konnte sehen, wie er die Arme hob, um sich durch dichtes Unterholz zu drängen. Sie hörte einen Wasserlauf plätschern, roch die Feuchtigkeit in der Luft und ließ sich einen Augenblick vom überwältigenden Duft der cremefarbenen Blüten einhüllen, bevor sie ihm folgte und sich hinter ihm durch die Büsche drängte. Dann tappten ihre Füße über den rauhen Samt einer Art Moos, das die Ufer des Wasserlaufs überzog.
Seine Hände drängten sie, und die anfängliche physische Anziehungskraft, die sie für ihn empfunden hatte, verwandelte sich plötzlich in einen Energieaustausch. Er hielt sie auf Armeslänge vor sich, starrte ihr ins Gesicht, sah sie nicht als Mittel zum Zweck, das ihm physische Erleichterung verschaffen sollte, sondern als Frau, deren Weiblichkeit eine instinktive, überwältigende Reaktion in ihm auslöste.
»Wer bist du, Carrigana?« Er riß voller Staunen die Augen auf. »Was hast du mit mir angestellt?«
»Bisher noch gar nichts«, erwiderte sie belustigt. Noch nie hatte ein Mann solche Gefühle in ihr geweckt, nicht einmal Lanzecki. Und wenn Lars irgendwie den Kristallschock in ihr gespürt hatte, war es um so besser: Das würde ihre Vereinigung verstärken. Sie hatte viel zu lange enthaltsam gelebt, und das war teilweise seine Schuld gewesen; nun konnten sie beide die Konsequenzen genie-
ßen. »Worauf wartest du noch, Lars?«
11
EINE LEICHTE, beinahe zärtliche Berührung an ihrer Schulter, an der Stelle, an welcher die Wurfscheibe ihre Haut aufgeschlitzt hatte, weckte Killashandra aus der samtenen Dunkelheit des tiefsten Schlafes, in den sie je gesunken war. Sie fühlte sich gewichtslos und entspannt. Obwohl sie sehr freizügig aufgewachsen war, empfand Killashandra nun eine eigenartige Schüchternheit und Scheu. Sie wollte Lars nicht ansehen, sie wollte ihm und der Welt nicht in die Augen sehen; noch nicht.
Dann hörte sie ihren Geliebten mit der Tenorstimme leise l achen.
»Ich wollte auch nicht aufwachen, Carrigana ...«
Sie haßte die Lügen, die zwischen ihnen standen, und sie hätte ihn beinahe korrigiert, doch sie schaffte es nicht, ihre Trägheit zu überwinden. Und eine Erklärung über ihren Namen würde zu vielen weiteren Erklärungen führen, und jede von ihnen konnte die Erinnerung an die vergangene Nacht trüben.
»Ich habe — noch nie ...« Er unterbrach sich, fuhr mit den Fingern über andere Narben auf ihren Unterarmen (Kristallnarben — wie sollte sie die in diesem zauberhaften Augenblick nur erklären?) bis hinunter zu ihren Händen, wo sich seine kräftigen, schmalen Finger mit den ihren verflochten. »Ich weiß nicht, was du mit mir angestellt hast, Carrigana. Ich hatte — ich hatte noch nie eine Liebesnacht wie diese.« Er lachte wehmütig und etwas krächzend; es gelang ihm nicht, so leise zu lachen, daß der Laut zu seinem Flüstern paßte. »Ich weiß, daß Männer, wenn sie Sorgen haben, oft sexuelle Erleichterung bei einer Frau suchen — bei irgendeiner Frau. Aber du warst in der
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