Killashandra
letzten Nacht nicht >irgendeine< Frau, Carrigana.
Du warst ... Ich kann es kaum fassen. Öffne die Augen, damit ich sehe, daß du mir glaubst, was ich sage — weil es die Wahrheit ist!«
Killashandra konnte sich seiner Bitte nicht entziehen, nicht der Aufrichtigkeit und dem tiefen Ernst in seiner Stimme. Sie öffnete die Augen. Sein Gesicht war nur Zentimeter von ihrem entfernt, und sie wurde von einer überwältigenden Woge von Liebe, Zuneigung, Sinnlichkeit, Empathie und Leidenschaft für diesen unglaublichen und begabten jungen Mann erfaßt. Seine hellen blauen Augen schienen erleichtert: eine morgendliche Lagune, blau und glänzend unter einer aufgehenden Sonne, so lebendig, wie das Meer manchmal sein konnte. Erleichterung sah sie und plötzlich auch Tränen. Ein Schluchzen lief wie eine Welle durch seinen Körper, der so nahe neben ihr lag, und er ließ den Kopf auf ihre Schulter sinken, direkt über die Messerwunde. Wenn er ihr schließlich gestand, daß er ihr diese Wunde zugefügt hatte, würde sie ihm gern vergeben. Genausogern war sie bereit, ihm ihre Entführung zu verzeihen, so böse seine Gründe auch gewesen sein mochten. Wie konnte sie ihm nach der vergangenen Nacht noch etwas abschlagen?
Vielleicht war die Vereinigung emotionaler Konflikte in der vergangenen Nacht auch so einzigartig gewesen, daß eine Wiederholung nicht möglich war. Diese Aussicht ließ sie lächeln.
Als könnte er ihre Reaktionen spüren — in der vergangenen Nacht hatte er sie ganz gewiß gespürt —, hob er den Kopf und betrachtete forschend und besorgt ihr Gesicht. Sie sah, daß auch er seinen Teil abbekommen hatte, denn seine Unterlippe war rot und geschwollen; er versuchte unbeholfen, ihr Lächeln nachzuahmen.
Dann kicherte sie verlegen und fuhr mit dem Finger über seinen Mund.
»Ich glaube, ich werde die vergangene Nacht nie vergessen, Lars Dahl.« Ob sie je die richtigen Worte finden würde, um dieses Erlebnis für ihre persönliche Akte auf Ballybran aufzuzeichnen? Sie streichelte sein Kinn. Sein Grinsen wurde etwas selbstbewußter, und er drückte leicht ihre Hand. »Da ist noch ein Problem ...« Sein Gesicht verdüsterte sich sorgenvoll. »Wie lange brauchen wir, um uns zu erholen, ehe wir es noch einmal versuchen können?«
Lars Dahl platzte laut heraus und rollte sich von ihr weg. »Du wirst mich noch umbringen, Carrigana.«
Wieder bereute Killashandra heftig, daß sie ihm diesen Namen genannt hatte. Sie sehnte sich danach, ihm alles zu gestehen und ihren wirklichen Namen aus seinem Mund zu hören, gesprochen mit seiner vollen sinnlichen Stimme.
»Genauso wie letzte Nacht?«
»Oh, du liebe Sunny«, erwiderte er, und seine Stimme klang sehr liebevoll und zärtlich, während er sich wieder zu ihr herumrollte und ihr sachte eine Hand auf den Kopf legte, um ihr Haar zu streicheln. »Dich zu verlassen, hat mir fast den Tod gebracht.«
Sie verwarf sofort den Gedanken, daß er einen Dichter dieses Planeten zitierte. Ihr Körper und ihr Bewußtsein begriffen sofort, welches Gefühl er meinte. Ihr erschöpfter Schlaf war über sie gekommen wie ein kleiner Tod.
Ihr Magen, der an Ästhetik nicht das geringste Interesse hatte, knurrte laut. Sie lachten leise und nahmen sich in die Arme.
»Komm, laß uns zum Meer hinuntergehen!« sagte Lars mit einem belustigten Funkeln in den Augen. »Laß uns schwimmen, damit wir etwas abkühlen.« Er sprang geschmeidig auf die Füße und bot ihr eine Hand.
Erst jetzt, als die leichte Decke von ihrem Körper glitt, bemerkte sie, daß sie zugedeckt gewesen war. Und sie bemerkte den kleinen Korb am Rand der Lichtung und den unverkennbaren Hals einer Weinflasche, der aus; dem träge fließenden Bach lugte.
»Ich bin in der Morgendämmerung aufgewacht«, er-klärte Lars, während er ihr die Hände auf die Schultern legte und sich vorbeugte, um zärtlich ihre Wange zu küssen. »Der Wind war etwas kühl. Deshalb habe ich uns einige Sachen besorgt. Können wir den Tag zusammen und allein verbringen?«
Killashandra lehnte sich einen Augenblick liebevoll gegen ihn. »Ich fühle mich bemerkenswert ungesellig.«
Es gab nichts, was sie lieber wollte.
»Hoffentlich gilt das nicht für mich.« Lars lachte amü-
siert.
Sie standen Arm in Arm und begannen sich sachte zu streicheln, doch dann trennten sie sich fast schuldbewußt.
Lachend gaben sie sich die Hände und drängten sich durch die Büsche zum Strand.
Das Meer war ruhig, die Wellen nur kleine Erhebun-gen, die im letzten
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