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Killashandra

Killashandra

Titel: Killashandra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne McCaffrey
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Erinnerungen, die Killashandra nur zu gern sofort wieder vergessen hätte. Denn ihre älteren Brü-
    der hatten sie immer geneckt, weil sie mit voller Kraft gekreischt und sich vor den Augen anderer zu sehr hervor-getan hätte.
    Schon vor diesem Abend hatte Killashandra gewußt, daß einige Melodien anscheinend universell waren, entweder immer wieder neu geschaffen in der eigenen Mu-siktradition jedes Planeten oder von den ursprünglichen Siedlern mitgebracht und verändert, bis sie zur neuen Welt paßten. Die Worte wechselten, auch das Tempo und die Tonart, doch die Freude beim Singen in einer Gruppe ver-
    änderte sich nie: da wurden tiefe nostalgische Saiten angeschlagen. Trotz ihrer musikalischen Ansprüche, trotz ihres Vorsatzes, sich nicht zu verraten, konnte Killashandra nicht anders als mitsingen. Im Gegenteil, an dieser Singe-rei nicht teilzunehmen, hätte sie als Außenseiterin gebrandmarkt. Bei den Leuten auf Angel Island gehörte das Singen zum guten Ton.
    Der Gesang war keineswegs primitiv, denn die Inselbewohner schmückten die Refrains und Lieder stark aus, sangen teilweise sechsstimmig und mit komplizierten Obertönen. Lars Dahl fungierte gleichzeitig als Büh-nenmanager und Dirigent und deutete auf die Leute, die sich erheben oder auf ihren Instrumenten ein Solo spielen sollten. Alle zeigten großes musikalisches Geschick auf so unerwarteten Instrumenten wie einer Trompete, einem Holzblasinstrument, das aussah wie eine Kreuzung zwischen Oboe und einem alten französischen Horn, und einer Viola mit einem sanften warmen Klang, die schon mit den frühen Siedlern hergekommen sein mußte. Die Handtrommeln wurden mit großem Geschick und viel Aufhebens gespielt, denn die drei Trommler tanzten beim Spielen wild zu ihren komplizierten Rhythmen.
    Auch wenn der größte Teil des Publikums sich nicht aktiv beteiligte, so war doch die Aufmerksamkeit der Leute gefesselt, und ihre Reaktion auf einen gelegentli-chen Fehler kam sofort und sehr fachkundig. Es gab Lieder über Brotbaumpflanzer; eines wurde von zwei Frauen vorgetragen, die humorvoll erklärten, was alles getan werden mußte, damit eine Brotbaumpflanze die Dinge produ-zierte, die eine Familie brauchte. Ein anderes Lied, das von einem großen dünnen Mann mit tiefer Baßstimme gesungen wurde, erzählte vom schweren Schicksal eines Mannes, der sich darauf verlegt hatte, einen uralten riesengroßen Walfisch zu fangen, der einmal mit einem beiläufigen Zucken des riesigen Schwanzes sein kleines Fischerboot zerstört hatte. Eine Altistin und ein Bariton sangen eine traurige Ballade über die gefährliche Hochseefische-rei.
    »Du hast dich lange genug gedrückt, Lars. Jetzt mußt du mit Olav singen«, verlangte ein Mann, der tief in den Schatten saß. Lautes Klatschen und Rufen unterstützten seine Forderung.
    Lars grinste liebenswürdig und nickte und winkte jemandem zu, der links neben Killashandra saß. Der Mann, der aufstand und zu Lars hinüberging, mußte mit ihm verwandt sein, denn die Gesichter waren einander ähnlich. Der zweite Mann war älter und hatte ein schmaleres, längeres Gesicht, doch Nase, Augen, die Form der Lippen und das feste Kinn waren dieselben.
    Keiner der beiden sah im herkömmlichen Sinne gut aus, doch beide strahlten eine Kraft, Entschlossenheit und Zuversicht aus, die sie von den anderen Menschen abhob.
    Die Leute schwiegen respektvoll, und die Instrumente begannen mit dem Vorspiel. Killashandra hatte ein ausgezeichnetes musikalisches Gedächtnis. Wenn sie ei-ne Komposition einmal gehört hatte, konnte sie sich nicht nur an das Thema erinnern, falls es eines gab, sondern an die gesamte Struktur des Werkes. Wenn sie das Werk etwas gründlicher studiert hatte, dann kannte sie auch den Komponisten und die bisherigen Inszenie-rungen, die verschiedenen Bühnen und Arrangements, die über die Jahre das Erscheinungsbild der Musik ver-
    ändert hatten und wußte meist auch, welche Künstler wann und wo an den Vorstellungen teilgenommen hatten.
    Sie erkannte die Musik, noch bevor die Männer zu singen begannen. Die Worte waren etwas verändert, aber sie paßten gut zu diesem Ort: die Suche nach der verlorenen vollkommenen Insel im Morgennebel, die wundervolle Frau, die dort gestrandet war und für deren Zuneigung die Männer ihr Leben aufs Spiel setzten.
    Lars' wundervoller Tenor paßte gut zum ausgebildeten Bariton des älteren Mannes. Ihre Stimmen harmonierten vollkommen miteinander und mit der lebhaften Begleitung.
    Dennoch starrte

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