Killeralgen
genannt hatte.
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Skye klappte den Deckel des dicken Nachschlagewerks zu, in dem sie gelesen hatte, und schob es quer über den Tisch zu einem Stapel ähnlicher, vom häufigen Gebrauch abgewetzter Bände. Sie zog die Schultern hoch und streckte die Arme, um ihre verkrampften Muskeln zu lockern, und lehnte sich dann auf ihrem Stuhl zurück. Sie schürzte die Lippen und betrachtete den Helm, der vor ihr auf dem Tisch stand. Sie hatte alte Waffen immer nur ganz schlicht als Werkzeuge betrachtet. Für sie waren sie niemals mehr gewesen als leblose Objekte, die im blutigen Kriegsgeschäft Verwendung fanden, doch dieses Ding ließ sie frösteln. Die oxidierte schwarze Oberfläche schien etwas Bösartiges zu verströmen, wie es ihr noch nie zuvor begegnet war.
Nachdem sie nach Paris zurückgekehrt war, hatte sie den Helm in ihr Büro an der Sorbonne mitgenommen mit der Erwartung, dass eine Bestimmung mit den Referenzhilfsmitteln, die ihr zur Verfügung standen, einfach sein würde. Sie hatte den Helm fotografiert, hatte dann die Bilder in ihren Computer kopiert und anschließend eine umfangreiche Datenbank durchsucht.
Angefangen hatte sie mit ihren französischen Archiven und war dann weitergegangen nach Italien und nach Deutschland, also in die Länder, die früher als besonders bedeutend in der Waffenproduktion galten.
Als ihre Suche ergebnislos blieb, hatte sie sie auf alle europäischen Länder ausgedehnt, und als auch dies kein Ergebnis lieferte, war sie nach Asien und in die restliche Welt gegangen. Sie hatte alle möglichen Datenbanken durchkämmt und war sogar bis in die Bronzezeit zurückgegangen. Nachdem sie mit der Computersuche gescheitert war, versuchte sie ihr Glück mit dem gedruckten Wort und grub aus ihrer Bibliothek jedes noch so verstaubte und muffig riechende Nachschlagewerk aus. Sie studierte alte Kunstdrucke, Manuskripte und Stiche.
Aus reiner Verzweiflung studierte sie auch den Wandteppich von Bayeux, doch die konischen Kopfbedeckungen, die die darauf verewigten Krieger in der Schlacht trugen, wiesen keinerlei Ähnlichkeit mit dem Helm auf, der vor ihr stand.
Der Helm war ein Widerspruch in sich. Die Kunstfertigkeit bei der Herstellung war außergewöhnlich und sprach eher dafür, dass es sich um einen Zeremonienhelm und weniger um einen Kriegshelm handelte. Allerdings deuteten die Scharten und Dellen, die seine Oberfläche verunstalteten, darauf hin, dass er durchaus auch im Kampf getragen worden sein konnte. Das offensichtliche Einschussloch war ein ganz eigenes Rätsel.
Die gesamte Aufmachung ließ auf einen sehr frühen Ursprung schließen. Wie bei den ganz frühen Helmen wurde auch in diesem Fall sein Gewicht ausschließlich vom Kopf getragen.
Spätere Modelle hatten ein
armet
, jenen aufgebördelten unteren Rand, der das Gewicht mittels eines Kragens namens
gorget
auf die Schultern seines Trägers verteilte. Der Helm besaß darüber hinaus einen fächerförmigen Helmbusch, eine weitere Neuerung jüngeren Datums, die zusätzlichen Schutz vor einer Keule oder einem Schwert bot.
Der Stil des Helmbaus hatte sich von der konischen Form im elften Jahrhundert zur gerundeten Form im zwölften Jahrhundert entwickelt. Gleichzeitig war der Nasenschutz vergrößert worden, um das ganze Gesicht zu schützen. Dabei waren für die Augen Sehschlitze und für eine bessere Ventilation Luftlöcher entwickelt -worden. Deutsche Helme waren meistens schwer und klobig, während italienische Helme viel runder waren und den Einfluss der Renaissance widerspiegelten.
Der außergewöhnlichste Punkt an diesem Helm war das Metall. Die Stahlherstellung hatte bereits im Jahr 800 vor Christus begonnen, doch es dauerte hunderte von Jahren, um ein Metall von derart hoher Qualität zu entwickeln. Wer immer dieses Metall geschmiedet hatte, war ein Meister. Die Widerstandsfähigkeit, die im Stahl dieses Helms steckte, war an der Delle in der Krone abzulesen, die eine Art Prüfsiegel darstellte. Jemand hatte das Metall mit einer Pistole oder einer Arkebuse getestet, und es hatte sich als undurchdringlich erwiesen. Aber wie das Einschussloch bewies, hatte jede Verbesserung in Bezug auf Verteidigung oder Schutz eine Weiterentwicklung der Angriffswaffen und -techniken zur Folge. Rüstungen wurden schließlich mit der Schlacht von Bicocca im Jahr 1522 überflüssig. Der allgegenwärtige Feind war die Schwerkraft und weniger die Patrone. Die Rüstungen wurden einfach zu schwer.
Das in das Visier eingeprägte Gesicht war
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