KillerHure
keine sechs Wochen später in Korfu aus meiner Bude verschwunden, ich habe es nie wieder gesehen. Der Kollege von Bren, der vermutlich gerade mit einem Richtmikrofon unser Gespräch verfolgt, weiß das hoffentlich nicht.
»Darf ich das als Kündigung verstehen?«
»Genau. Ich wurde abgeworben. Glaub mir, ich wäre gern bei euch geblieben.«
Antonia mustert mich eingehend und nickt unmerklich. Das ist die Wahrheit, und sie glaubt mir.
»Bist du nur hier, um dich zu verabschieden oder wirst du mich erschießen?«
»Die ersten zwei Kugeln sind für dich. Genau wie ich es gelernt habe, damals bei Hauptmann Tampitule.«
Das ist die zweite Sollbruchstelle in meiner Geschichte. Tampitule bedeutet »Arschloch« auf Rumänisch und war der Spitzname des ehemaligen Securitate-Offiziers, der uns im Fach »Tarnung und Täuschung« unterrichtet hat. Ich weiß bis heute nicht, ob das Ausbildungscamp in Kasachstan direkt von Antonias Leuten betrieben wurde oder ob das nur ein Dienstleistungsunternehmen war. Im letzteren Fall versteht sie meine Andeutung vermutlich nicht. Ebenso wenig wie der unbekannte Lauscher von Brens Truppe.
Meine Augen zeigen auf die Puppe vor ihr. Sie folgt meinem Blick, nimmt langsam die unförmige Gestalt und zieht Ober- und Unterteil auseinander. Die sechs kleineren Puppen, die dort üblicherweise hin gehören, fehlen. Antonia blickt in das Unterteil hinein.
»Leer!«, sagt sie und legt die Hülle auf den Tisch zurück. Ihre Hand dicht daneben.
Ich zucke die Schultern.
»Hab den Rest verloren. Tut mir leid, ich war noch nie gut darin, auf meinen Kram aufzupassen.«
Sie legt den Kopf leicht schief. Will wissen, wie es weitergeht.
»Sag mal«, frage ich, »deine Leute hier, Trenchcoat und die beiden anderen. Sind die gut?«
Das ist eine kritische Information. Ich muss es unbedingt wissen, sonst explodiert gleich einiges in einem unkontrollierbaren Chaos. Mein Kopf zum Beispiel.
Antonia zögert eine Sekunde. Wägt ab. Trifft eine Entscheidung.
»Nur Gregor ist okay«, meint sie achselzuckend. »Seine Leute taugen nicht viel. Wie du ja selbst gerade bewiesen hast.«
Im Gegensatz zu Antonia muss ich nicht abwägen. Ich bin dazu gezwungen, ihr zu vertrauen.
»Antonia«, sage ich ernst. »Es tut mir sehr leid. Ich möchte, dass du weißt, dass ich dir wirklich dankbar bin. Für alles.«
»Tu, was du tun musst«, antwortet sie gleichmütig. Ihre Finger bewegen sich unmerklich auf dem Tischtuch, tasten nach etwas im Inneren meiner Puppe. Ich nehme einen letzten, nicht zu tiefen Atemzug.
Schalte um.
Kapitel 17
Freitag, 29.08.08, 12:03 Uhr
Vor vier Jahren arbeitete ich mal in Marrakesch mit einem Amerikaner zusammen, der wegen seiner Drogenprobleme aus der Navy rausgeflogen war und sich deshalb als Söldner verdingte. Er erzählte mir, dass die größeren Schiffe der US-Marine ein vollautomatisches Verteidigungssystem besitzen, den so genannten »Armageddon-Modus«. Wenn die heranrasenden Raketen, Geschosse, Flugzeuge und Torpedos das Gefechtsfeld in ein hyperkomplexes Chaos verwandeln, das die Reaktionsfähigkeit und Verarbeitungskapazität der menschlichen Besatzung überfordert, dann wird der rote Knopf gedrückt. Die Computersysteme des Schiffes übernehmen selbst die Abwehr und entscheiden eigenständig darüber, welche Waffen wie eingesetzt werden, welcher Kurs gesteuert und welche Geschwindigkeit gefahren werden muss, um die Überlebenswahrscheinlichkeit zu maximieren. Die Controller und Waffenspezialisten sitzen vor ihren Bildschirmen, verfolgen die Signale und greifen nur im Fall eines offensichtlichen Defektes ein.
In so einen Auto-Modus gehe ich jetzt. Alle Entfernungen, Vektoren und Bewegungen sind durchdacht und abgespeichert. Nun überlasse ich meinem Körper und meinen Reflexen die Ausführung. Die Zeit scheint sich zu verlangsamen. Nicht ganz wie in Zeitlupe, aber zumindest so, dass ich mir selbst bequem bei der Schlachterarbeit zuschauen kann. Mein Zeigefinger krümmt sich. Die Muskelkraft überwindet den präzise ausgewogenen Druckpunkt der Glock.
Zwei trocken krachende Schläge, heftige Stöße in meiner Hand, bis hoch in die Schultergelenke. Antonia will sich noch rückwärts von dem hohen Stuhl werfen, sie wird der Länge nach zwischen die Beine von anderen Gästen geschleudert. Ihr Körper krümmt sich, zuckt.
Das Tablett ist weggeflogen, das Serviertuch hängt noch über meiner Schusshand. Ich achte nicht darauf, sondern bringe die Waffe hoch, visiere Gregor an. Erste
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