KillerHure
in dem winzigen Spind, der mir zugewiesen wird, die brauche ich erst nachher.
Fünf Minuten später begrüße ich mit einem strahlenden Lächeln drei koreanische Geschäftsleute am Tisch siebenunddreißig und ernte ein enthusiastisches Geschnatter, das ich als Kaffeebestellung interpretiere. In bester Laune jongliere ich volle Tassen und belegte Brötchen, während Agneta betäubt in ihrem Bett liegt. Die Pause wird ihr guttun. Ich freue mich richtig, ihr ein wenig unter die Arme zu greifen. Nur schade, dass ich keine Gelegenheit haben werde, ihr das Trinkgeld zu geben, das reichlich zu mir fließt. Ich schäkere so gelöst mit den Gästen, dass Sven mir immer wieder nachdenklich nachblickt. Anscheinend will er mir zum Ende der Schicht einen festen Job anbieten. Leider werde ich bis dahin nicht mehr da sein, und leider wird er ganz andere Probleme haben, als seinen wöchentlichen Terminplan.
Kurz nach halb zwölf beginnt die Show. Zwei große Männer in mittelgrauen Anzügen betreten das Foyer durch die große Eingangstür von der »Vasbygade« her, der vierspurigen Hauptstraße, die direkt am »Fisketorvet« vorbeiführt. Sie sehen sich aufmerksam nach allen Seiten um, und ab und zu verstohlen in ihre Hand. Ich frage mich, wie alt das Foto von mir ist, das sie darin haben. Ich frage mich, ob die Perücke, der vergrößerte Busen und die älter machende Schminke mich genügend davon unterscheiden, um ihre Synapsen nicht schalten zu lassen.
Nach einer kurzen Musterung aller Gäste verteilen sie sich und suchen freie Tische. Sie gehen nach Schema F vor, einer links, einer rechts. Ich trabe mit einem Glas Wasser direkt an einem von ihnen vorbei. Aus den Augenwinkeln sehe ich deutlich die Ausbuchtung in seinem Jackett und den fleischfarbenen Stöpsel im Ohr. Seine Augen gleiten flüchtig über mich, und mein Herz haut so laut gegen meine Rippen, dass ich Angst habe, er könnte das durch die Bluse sehen.
Sein Blick geht wirklich in diese Richtung, wird von meinem Gesicht abgelenkt durch den Knopf zuviel, der dort wie zufällig offensteht. Ich passiere ihn und spüre seine Augen auf meinem Hintern. Ich bin nur eine Bedienung. Ich gehöre praktisch zum Mobiliar. Ich bin ungefährlich. Ich verdiene keine Beachtung ...
Ich vermute, einem echten Profi würde so ein Schnitzer nicht passieren. Jemand vom MI-6 oder vom CIA würde die Bedienungen genau so sorgfältig überprüfen, wie jeden anderen Anwesenden. Jemand von der russischen Seite vermutlich auch, sofern er entweder in der guten alten KGB-Zeit oder erst neulich ausgebildet wurde, nachdem der FSB wieder einen gewissen Standard erreicht hat. Aber trotz ihrer guten Kontakte bin ich überzeugt, dass Antonia für eine private Organisation arbeitet. Also wird sie mit Leuten der zweiten oder dritten Garde vorlieb nehmen müssen.
So wie mit mir.
Der Betrieb nimmt zu. In schneller Folge strömen jetzt Männer und Frauen in Businesskleidung herein und besetzen die letzten freien Tische. Mein Job wird langsam wirklich stressig, ich bin froh, dass ich ihn nicht mehr lange machen muss. Mein Atem geht tief und langsam, wie lange trainiert. Ich vermeide hastige Bewegungen. Das zieht Aufmerksamkeit auf sich und es verbraucht unnötig Konzentration. Das Blut singt in meinen Adern, ich fühle mich aufgeladen wie eine fabrikneue Batterie, summend vor Energie.
Antonia kommt um fünf vor zwölf. Allein. Sie trägt ein sandbraunes Kostüm und geht mit festem Schritt genau ins Zentrum des »Kostal«, ohne sich umzusehen. Dort wendet sie sich ohne Umschweife an zwei große Jungs, die einen der Bistro-Tische in Beschlag genommen haben, und redet kurz mit ihnen. Dreißig Sekunden und einen Geldscheinwechsel später suchen sich die Jungs einen anderen Tisch und drehen sich immer wieder verwundert zu der komischen Frau um, die sie so reich beschenkt hat.
Antonia.
Sie sieht gut aus. Jeder Zoll die gestandene Geschäftsfrau um die fünfzig. Mit allen Wassern gewaschen, für jedes Problem eine Lösung parat. Sie trägt den noch gut erkennbaren Nachglanz ihrer früheren Schönheit mit der gleichen unbekümmerten Selbstverständlichkeit wie ihre ergrauenden Haare.
Antonia.
Ich serviere völlig automatisch einen Salat an eine missmutig dreinschauende Hausfrau mit viel zu viel Schminke im Gesicht und versuche, sowohl meine Angst als auch meine Erinnerungen in den Griff zu bekommen.
Ob ich ohne Antonia überlebt hätte? Vielleicht, vielleicht auch nicht. Ich bin mir nicht sicher, ob Antonia
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