KillerHure
meinte den Tod. Einfach gehen. Die eigene Kugel im Kopf. Daran denke ich schon manchmal.«
»Ah.« Die Antwort befriedigt ihn, passt anscheinend besser in sein Bild von mir. »Nein. Niemals.«
»Hm.«
Schweigen bleibt zurück. Ich kann spüren, wie sich der winzige Spalt schließt, der uns für ein paar Minuten fast wieder menschliche Wesen sein ließ. Alles Weitere würde jetzt nur wieder vorsichtiges Abtasten sein, die Suche nach verwertbaren Informationen, das Ausforschen von schwachen Punkten. Für eine Sekunde erfüllt mich eine abgrundtiefe Traurigkeit, aber bevor ich dieses kostbare menschliche Gefühl richtig wahrnehmen und auskosten kann, ist es weg. Nur kühle Nüchternheit bleibt. Jana Walker. Einen Meter fünfundsechzig groß, vierundzwanzig Jahre alt. Profi-Killerin.
Scheiße!
Ich dränge mich instinktiv näher an Bren, versuche den emotionalen Kontakt durch den körperlichen zu ersetzen. Anscheinend geht es ihm ganz genau so, denn plötzlich liegen meine gespreizten Beine über seiner Seite und er drückt mir seine wieder erwachte Erektion an die Unterseite eines Schenkels. Es bedarf nur einiger schneller, kleiner Veränderungen der Lage und der Körperhaltung, bis sein Penis in mich gleitet, leicht und flüssig. Das entspannte Prickeln in meinen Unterleib knüpft fast nahtlos an die Lust von vorhin an. Aber trotz der schnell wachsenden Erregung bleibt auch das Gefühl des Verlustes, wie ein leeres Zimmer in der Brust.
In dieser Nacht lieben wir uns noch stundenlang. In verschiedenen Positionen, zwischen verträumtem Kuschelsex und hartem Fick. Ich erlebe drei oder vier weitere wunderbare Höhepunkte, ohne dass die Dämonen mehr als nur leicht anklopfen. Bren ist zärtlich, aufmerksam, leidenschaftlich und gelöst. Diese Stunden im Hotel »Nadmorski« gehören zu den schönsten und erotischsten Erfahrungen meines Lebens. Auch wenn wir letztlich nur gemeinsam vor den Wunden in unserer Seele in verzweifelten Sex flüchten.
Vom Flug nach Mallorca am nächsten Vormittag bekomme ich rein gar nichts mit. Ich schlafe wie ein Stein vom Start bis zur Landung.
Kapitel 22
Donnerstag, 04.09.08, 09:30 Uhr
»Guten Morgen, meine Dame. Darf ich mich zu Ihnen setzen?«
Innerlich aufseufzend sehe ich hoch. Der Typ schleicht schon mindestens zehn Minuten um mich herum. Jetzt hat er sich endlich getraut, mich anzusprechen.
Groß, ehemals muskulös, jetzt eher aufgedunsen. Kleine Augen, blondes Haar, das schon deutlich schütter geworden ist. Kleidung aus dem teuren Shop für Segler-Accessoires. Öliges Lächeln, das wohl weltmännisch und überzeugend wirken soll. Alles in allem also genau das, was man im Yacht-Club von Palma de Mallorca so erwarten kann.
Ich blicke konzentriert auf einen Punkt etwa eine Handbreit über seinem Schädel und runzle die Stirn.
»Haben Sie was an den Nieren?«, frage ich dann zurück.
Er blinzelt mich verständnislos an.
»Ihre Aura!« Ich deute auf den Punkt über ihm. »Da sind so ungewöhnliche braune Schmierer drauf, das sieht nicht gut aus.«
»Aura?« Er steht völlig auf dem Schlauch. Was genau meiner Absicht entspricht.
»Jaaa. Ich kann Auren sehen. Ihre zum Beispiel. Und die sieht wirklich etwas ... hm ... Waren Sie mal beim Arzt in letzter Zeit? Ich tippe auf die Nieren. Oder vielleicht auch Prostata. Letztes Jahr, da traf ich jemand mit Prostatakrebs, da war die Aura auch bräunlich ... hallo?«
Der Typ hat einen strategischen Rückzug eingeleitet. Er entfernt sich vorsichtig rückwärts, ohne mich aus den Augen zu lassen. Ein Stuhl kippt dabei um. Sein Bedarf an Flirt scheint schon gedeckt zu sein. Zufrieden rühre ich wieder in meinem Cappuccino und beobachte von meinem Schattenplatz in der Ecke die ganze umliegende Szenerie.
In der Frühzeit meiner Killerlaufbahn, etwa von 2003 bis 2005, war ich vorwiegend im Mittelmeerraum tätig. Griechenland, Zypern, Marokko, Spanien, Kroatien. In meiner Erinnerung war das eine herrlich unbeschwerte Zeit. Ich habe mich so richtig ausgetobt, sowohl was die Männer als auch die Morde betrifft. Mein eigenes Überleben schien mir damals noch weit weniger wichtig als heute, eigentlich rechnete ich nicht mit mehr als ein oder zwei Jahren. Es gab auch mindestens drei Situationen, in denen ich haarscharf an einer Katastrophe vorbeischlitterte. Aber damals lachte ich nur und genoss den zusätzlichen Adrenalinstoß.
Wegen dieser Erinnerungen und wegen der Sonne liebe ich das Mittelmeer. Die Sonne ist so schön hell und klar und
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