KillerHure
der Leinwand. Gleich werde ich mit nackten Füßen in die Küche tappen und das große Messer aus der Schublade ziehen. Dann ...
Übergangslos bin ich wach. Der gelbliche Schein der großen Bogenlampen an der Strandpromenade vor dem Hotel taucht das Zimmer in ein blasses Zwielicht. Bren hat sich auf einen Ellenbogen hochgestemmt und sieht mich aufmerksam an.
»Was?«, frage ich, leicht ärgerlich und leicht verwirrt.
»Geträumt?«, fragt er.
»Hm.«
Das sind diese Situationen, mit denen ich mich überhaupt nicht auskenne. Normalerweise ist niemand bei mir, wenn ich mich im Schlaf herumwerfe. Ist das nun Fürsorge oder Neugier?
Mein Hirn scheint gerade nicht in der Lage zu sein, wie üblich in Blitzesschnelle mehrere Antwortmöglichkeiten zu entwerfen, zu jeder davon die Konsequenzen im folgenden Dialog abzuschätzen, und die auszuwählen, die meinen Zwecken am besten dienen. Also versuche ich es mit der simplen Wahrheit.
»Von meinem Stiefvater«, sage ich leise.
Bren nickt. Er kennt die Geschichte. Zumindest die dürren Fakten, einige Zeilen Text in einem Profil, das er gelesen hat.
»Vorhin, als wir miteinander geschlafen haben ...«, beginnt er dann und bricht ab. Anscheinend hat er doch etwas von meinen Problemchen bemerkt. Und wieder die Frage: Soll ich mich freuen, dass er so aufmerksam mir gegenüber ist oder mich vor dem fürchten, was er über mich herausfindet?
Instinktiv starte ich ein Ablenkungsmanöver. Ich schiebe mich näher an ihn heran und lege ein Bein über seine nackte Hüfte.
»Das ist nicht so wichtig«, meine ich achselzuckend. »Es war schön. Wirklich.«
Bren streicht ganz leicht über meinen Schenkel, der sich an seinen Bauch schmiegt. Er sieht mich nicht an, sondern starrt konzentriert auf meinen Nabel.
»Ich habe meinen Bruder umgebracht«, sagt er dann unvermittelt. »Als ich siebzehn war.«
»Deinen Bruder?«
»Ich sah ihn mit der Frau meines Lehrers.« Er zögert. »Meines Koranlehrers. Ich war damals fanatisch religiös und ich habe diesen Lehrer verehrt wie niemanden sonst.«
»Und du hast ...«
»Ich habe beide mit einem Spaten erschlagen. Dann bin ich weggerannt.«
Der Satz bleibt in der Luft hängen. Ich wage kaum zu atmen. Niemals hätte ich gedacht, dass Bren mir solche persönlichen, ja, geheimen Dinge anvertrauen könnte. Warum macht er das? Und wie soll ich reagieren? Als Mensch, als Geliebte, mit Mitgefühl und Wärme? Oder als Computer, der immer danach trachtet, die Datenbasis für seine Entscheidungen zu verbreitern?
Vorsichtig lege ich eine Hand auf Brens Brust. Genau in die Mitte, wo ich unter dem Brustbein deutlich die langsamen Schläge seines Herzens spüre. Ich versuche mir den jungen Bren vorzustellen, aber es gelingt mir nicht richtig.
Bren schaut zu mir auf. Sein Blick ist intensiv, fast zwingend.
»Bist du wegen deinem Stiefvater in diesem Geschäft?«, will er von mir wissen.
Ich zögere. Zum einen, weil mich schon wieder der paranoide Verdacht verfolgt, dass Bren mir seine Geschichte nur erzählt hat, um noch mehr aus mir herauszubekommen. Vielleicht hat er ja auch gelogen. Zum anderen, weil ich nicht weiß, wie ich antworten soll.
»J-ja. Glaub schon«, meine ich schließlich. Die Wahrheit ist eigentlich viel komplexer, als so ein schlichter Wenn-Dann-Zusammenhang. Die Wahrheit umfasst auch meine Zeit als Nutte, sie umfasst den Russen, Antonia, Jean, und mehrere Millionen weiterer Faktoren. Aber ich habe wirklich keine Lust, Bren das jetzt im Detail zu erläutern.
»Und du?«, frage ich zurück.
Er zuckt die Schultern, genau wie ich vorhin.
»Nachdem ich weglief, ergab sich alles andere wie von selbst«, sagt er. »Der Dschihad. Die Taliban. Die Aufträge. Das Geld ...«
»Ja ...« Ich bin immer noch hin- und hergerissen zwischen dieser unvermuteten Intimität und der Konditionierung meiner Überlebensreflexe. Die Verwirrung führt dazu, dass ich mir die nächste Frage nicht sorgfältig genug überlege.
»Denkst du manchmal darüber nach, das alles hinter dir zurückzulassen? Auszusteigen?«, will ich wissen.
Brens Augen ziehen sich leicht zusammen. Verdammt, falscher Text!
»Aussteigen? Das ist eine Illusion«, brummt er dann nüchtern. »Man kommt nie raus. Ich kenne keinen. Man will nicht, man kann eigentlich nicht, und sie würden einen auch nicht lassen. Warum – ist das dein Wunsch?«
Ich lächle matt und bete darum, dass er jetzt nicht meine Brust streichelt und am Jagen meines Herzens merkt, dass ich lüge.
»Ich
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