KillerHure
mein ganzer schöner Plan flöten.
In Italien bin ich einmal einen steilen Felshang hinabgestürzt, als ich einen Mafioso verfolgte. Er hatte mir eine Falle gestellt und ich war hineingetappt. Unten lag ich dann mit einem gebrochenen Bein, einer großen Platzwunde auf der Stirn und ein paar anderen Verletzungen zwei Stunden reglos in der prallen Sonne. Mein Klient hätte mich von oben in aller Ruhe abknallen können. Aber er war neugierig, und er brauchte zwei Stunden, um einen sicheren Weg zu mir herab zu finden. Ich schoss ihm ins Gesicht, als er sich über mich beugte. Dann machte ich mir eine improvisierte Krücke aus einigen Ästen und humpelte zurück zu meinem Auto. Nein, ein paar Kopfschmerzen würden mich sicher nicht davon abhalten, mein Vorhaben mit Thierry durchzuziehen.
»Wenn ich einfach noch ein wenig hier liegen kann, dann geht es mir sicher gleich wieder besser«, behaupte ich und massiere meine Stirn. »Das Wiegen des Bootes tut mir gut. Das beruhigt so schön.«
»Sie sind nicht zum ersten Mal auf einem Boot?«, fragt er interessiert.
Ich lache auf und zucke dabei wieder zusammen. »Nein, nein. Ich war mal mit einem Freund zusammen, der eine Segelschule auf Korfu leitete. In dem Sommer habe ich praktisch keinen Fuß an Land gesetzt.« Das stimmt sogar fast. Der Job dort war die schönste Tarnung, die ich jemals hatte. Ich lächle ein wenig beim Nachsinnen und schließe mit einem einfachen »Ich liebe das Segeln!« die Augen.
»Papa, dann lass uns heute doch ein wenig rausfahren«, meldet sich Natalie. »Bei dem schwachen Wind und dem glatten Meer ist es sicher erholsam für Sarah.«
Thierry sieht mich lange und durchdringend an. Mir wird ein wenig unheimlich. In meinem Drehbuch für dieses inszenierte Zusammentreffen stand eigentlich nicht, dass er so distanziert zu mir ist. Er müsste sich viel besorgter und emotional aufgewühlter um mich kümmern, der jüngeren Inkarnation seiner geliebten Frau. Schließlich nickt er langsam.
»Das stimmt vielleicht. Hätten Sie Lust auf eine kleine Tour an der Küste entlang?«
»Oh, das hört sich schön an! Ich will Ihnen aber keine Umstände machen ...«, beteure ich.
»Das sind keine Umstände.« Jetzt lächelt er endlich. »Schließlich habe ich Sie fast überfahren, da ist es doch das Mindeste, was ich Ihnen als Ausgleich anbieten kann, oder?«
Ich lächle zurück. Unsicher. Weil Unsicherheit zu meiner Rolle gehört. Und weil ich wirklich unsicher bin, ob da nicht ein Hauch verborgener Ironie in seiner Stimme mitschwingt.
Kapitel 23
Donnerstag, 04.09.08, 14:00 Uhr
Die »Clementine« liegt vor einer schwachen Südwest-Brise auf einem Kurs, der in südlicher Richtung die Küste entlangführt. Die »Urbanización El Dorado« liegt querab an Backbord. Die Mittagssonne brennt auf das Wasser nieder, die Luft ist warm und voll reicher Meeresdüfte, die Stille wird nur von einem leisen Gluckern von der Wasserlinie und manchmal dem trägen Schlagen der Leinwand über uns unterbrochen. Natalie steht am Ruder und genießt es sehr, ihre Steuermannskünste vor Publikum zu demonstrieren. Ihr Blick geht immer wieder vom Windzeiger im Top zum Kompass, und von da aus akribisch zum Horizont. Vor uns ist nichts als Meer und die dünne Rauchfahne einer Fähre, die schon vor einer Viertelstunde außer Sicht gekommen ist. Dennoch hätte auch der Ausguck der »Titanic« nicht mehr Aufmerksamkeit auf seine Umgebung verwenden können, als es das Mädchen gerade tut.
Thierry und ich sitzen auf der gepolsterten Heckbank und lassen uns gern von ihr chauffieren, einen Eistee in der Hand. Er hat ein wenig von seiner Arbeit erzählt, allerdings nichts, was in irgendeiner Verbindung zum Desertec-Projekt stehen könnte. Ich habe ihn umgekehrt über meine berufliche Misere informiert und mich interessiert nach möglichen Stellen bei der EU-Verwaltung erkundigt. Außerdem lasse ich seine Anwesenheit auf mich wirken.
Thierry Charles Friboire ist achtunddreißig. Er kommt aus einer alten, französischen Bürgerfamilie aus Nordfrankreich, die aber anscheinend auch einige mediterrane Gene weiterreicht. Seine Haare sind glatt und schwarz, sein Teint dunkel. Dennoch ähnelt er Brendan nicht im Geringsten. Während dieser einen undefinierbar nahöstlichen Typ verkörpert, ist Thierry ganz eindeutig kaukasisch geprägt.
Seine Züge sind markant, fast scharf, die Nase groß und mit einem Hauch von Raubvogel, die grauen Augen groß und weit auseinanderstehend. Immer wieder fällt mir
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