Killerinstinkt: Serienmördern auf der Spur (German Edition)
Menschenlebens handelt.«
Das Opfer wird also aus Zeitvertreib, aus Angeberei, aus Mutwillen getötet, oder aber der Täter empfindet die Tötung als Nervenkitzel bzw. »sportliches Vergnügen«. Die Tötung aus Mordlust unterscheidet sich von anderen Tötungsvarianten dadurch, dass bei ihr der Tod des Opfers der alleinige Zweck der Tat ist. Mit diesem Merkmal sollen Fälle erfasst werden, bei denen weder ein Anlass (wie beispielsweise Eifersucht, unbändige Wut oder auch ideologische Motive) noch ein Zweck (etwa Geldbeschaffung, Beseitigung eines Zeugen oder Rache) zu erkennen ist. Mit anderen Worten: Ich töte, um zu töten. Und ich habe Spaß dabei.
Um das Tatverhalten von Franz Rawski besser beurteilen zu können, habe ich mir zunächst einen kriminalhistorischen Überblick verschafft. Seit Ende des Zweiten Weltkriegs hat es in Deutschland genau vier Serientäter gegeben, die aus Mordlust gehandelt haben. Charakteristische Merkmale des Täterverhaltens waren: vorherige Tötungsphantasien, kein dezidierter Tatplan, beliebige Opferauswahl, spontaner Tatentschluss, deutlich hervortretende und wiederholte Ausübung von Gewalt, längerer Aufenthalt am Tatort, besonders gravierende Verletzungen bei den Opfern, die sich durch die Tötungsabsicht allein nicht erklären lassen. Außerdem: Die Opfer gehörten keiner spezifischen Gruppe an, die sie für die Taten prädestinierte. Ebendiese Tatbegehungsmerkmale habe ich auch bei Tätern feststellen können, die wegen einer einzigen Tötung aus Mordlust verurteilt wurden.
Tötungsdelikte aus Mordlust haben demnach ein spezifisches Gepräge. Untersucht man Franz Rawskis Taten auf dessen Merkmale, ergeben sich jedoch kaum Übereinstimmungen: Für die Annahme von Tötungsphantasien gab es keine Anhaltspunkte, die Taten waren geplant, es kam nicht zu wiederholter Gewaltausübung, die Opfer wurden nicht über den Tötungsakt hinaus besonders brutal zugerichtet, und der Täter hielt sich nur kurze Zeit am Tatort auf. Zu guter Letzt: Die Opfer gehörten sehr wohl einer bestimmten sozialen Gruppe an, die sie für die Taten prädestinierte. So gesehen erscheint die Annahme von Mordlust auch aus kriminalistischer Sicht nicht gerechtfertigt.
Auch gibt es bei Franz Rawski keine Hinweise auf ein sadistisch eingefärbtes Verhalten, das erfahrungsgemäß das Tatbild einer Tötung aus Mordlust prägt und sich auch kriminalpsychologisch herleiten lässt: Denn der mordlüsterne Täter muss sich Zeit lassen, damit sein Bedürfnis erfüllt werden kann. Will er seine pathologische Freude an der Tötung eines Menschen auskosten, darf die Sache nicht mit einem Stich oder einem Schlag erledigt sein. Oder mit einem Schuss. Vielmehr muss die Tat zelebriert werden, der Täter will das Opfer sterben sehen, den Todeskampf beobachten. Das Bedürfnis wird also nur erfüllt, wenn der Prozess des Tötens eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt, wenn der Täter es gestaltet. Dieses Gestalten zeigt sich in solchen Fällen in den furchtbaren Verletzungen der Opfer. Das heißt: Die Mordlust wird regelrecht augenscheinlich. Nichts von alldem kennzeichnet die von Franz Rawski begangenen Morde. Seine Taten weisen vielmehr den Charakter von Hinrichtungen auf: kurz und schmerzlos.
Auch ich bin überzeugt davon, dass der Grund für Franz Rawskis Morde nicht allein in der Homosexualität seiner Opfer begründet liegt. Aus dem gleichen Grund wie das Gericht: Warum sollte Franz Rawski mehr als ein Jahrzehnt gewartet haben, um seinen Rachefeldzug zu beginnen? Das ergibt wenig Sinn und widerspricht allgemeiner kriminologischer Erfahrung.
Eher ist anzunehmen, dass Franz Rawski sich bei der Opferauswahl an einschlägigen Erfahrungen und eigenen Alltagsroutinen orientiert hat – wie so viele Serienmörder vor ihm. Er kannte die Lebensgewohnheiten von Homosexuellen, insbesondere ihre Rituale bei der Suche nach einem Sexualpartner oder auch nur kurzfristiger sexueller Befriedigung. Und genau diese besonderen Rahmenbedingungen dürften Franz Rawski für die Durchführung seiner Taten erfolgversprechend erschienen sein: Das Opfer lässt sich (frei)willig manipulieren; der Tatort bietet Anonymität und Sichtschutz; ein Opfer ist jederzeit verfügbar; die Tötung kann ohne Gegenwehr erfolgen; die Chancen auf eine erfolgreiche Flucht stehen gut. Das sind allerbeste Voraussetzungen, um einen Mord unbehelligt begehen zu können und ungeschoren davonzukommen.
Nur erklärt diese Vorgehensweise nicht, warum Franz Rawski die Opfer
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