Killerinstinkt: Serienmördern auf der Spur (German Edition)
Schluss ist. Dass ich dann endlich alleine sein und auch heulen kann. Es war schlimm, und er sagte immer wieder: ›Es tut mir so leid. Es tut mir so leid.‹«
Elisabeth Rawski fällt es unerwartet schwer, die Stationen ihrer Ehe Revue passieren zu lassen und auch zu erklären, warum alles so gekommen ist. Stets betont sie, ihren Mann gar nicht zu kennen. Den Blickkontakt zu ihm vermeidet sie.
»Erst zum Schluss habe ich ihn angeguckt und nur den Kopf geschüttelt. Ich wollte ihm signalisieren, dass ich kein Gefühl mehr für ihn habe, dass da nichts mehr ist. Obwohl mir mein Herz etwas anderes gesagt hat. Am liebsten wäre ich zu ihm hingegangen und hätte ihn in den Arm genommen. Trotz allem.
Er sah jetzt aber auch so verändert aus, hatte zugenommen und sich einen Dreitagebart wachsen lassen. Obendrein hatte er jetzt sehr lange Haare, obwohl er genau wusste, dass ich beides nicht mag. Er saß mir gegenüber wie ein Fremder. Und ich dachte so bei mir: Du bist nicht mehr mein Mann. Das ist ein anderer Mensch. Dich haben sie irgendwie ausgetauscht. Dir haben sie das Gehirn rausgenommen. Ich kriege das nicht in diesen einen Mann rein. Ich schaffe das nicht.«
Die insgesamt dreistündige und mitunter belastende Aussage seiner Frau nimmt den Angeklagten derart mit, dass die Verhandlung kurz unterbrochen werden muss. Als Franz Rawski wieder in den Saal zurückgeführt wird, weint er immer noch so stark, dass seine Worte, die er an seine Frau richtet, nicht zu verstehen sind.
An den folgenden Verhandlungstagen schildern Zeugen, darunter zwei Ex-Geliebte des Angeklagten, Franz Rawski als charmanten, einfühlsamen und höflichen Menschen, teils von entwaffnender Freundlichkeit, dem man solche Verbrechen nicht zugetraut habe. Nur stehen diese eher freundlichen Charakterisierungen im krassen Gegensatz zu den verhandelten Verbrechen und befeuern die Rätselhaftigkeit des Motivs. Deshalb wird dem Auftritt des psychiatrischen Sachverständigen enorme Bedeutung beigemessen. Kommt jetzt endlich Licht ins Dunkel?
Dabei ist die Ausgangssituation des Experten für die Abgründe der menschlichen Seele denkbar schlecht: Franz Rawski hat eine Begutachtung bisher strikt abgelehnt, der Sachverständige kennt den Angeklagten demnach nicht persönlich, sondern nur aus den Akten, aus den Erzählungen der Zeugen und aus dem Gerichtssaal. Aber auch dort spielt Franz Rawski nur eine Rolle, die mit seinem Verteidiger abgesprochen ist. Nur einmal ist seine Maske verrutscht, als seine Frau ausgesagt hat. »Ich muss hier eine Black Box begutachten«, umschreibt der Kriminalexperte sein Dilemma.
Der Gutachter holt bei seinen Ausführungen weit aus, referiert viele Details aus der Vita des Angeklagten und zitiert aus Zeugenaussagen, bevor er Stellung bezieht. Seine Einschätzung in Kürze: Es gibt keine Hinweise auf eine psychische Einschränkung mit Krankheitswert, Franz Rawski muss demzufolge als voll schuldfähig gelten. Der Angeklagte war also jederzeit in der Lage, die Verwerflichkeit seines Handelns zu erkennen und nach dieser Einsicht zu handeln. Seine Morde waren eben keine impulshaften und somit unvermeidbaren Augenblickstaten, sondern kühl kalkuliert und planmäßig vollendet.
»Wer diese Morde durchgeführt hat, schwingt sich zum Herrscher über Leben und Tod auf. Und der ist zu weiteren schwersten Delikten fähig«, erklärt und mahnt der Psychiater. Und diese Einschätzung führe letztlich auch zum Motiv: »Der Täter handelte aus Lust am Töten und aus einer narzisstischen Daseinsüberhöhung heraus. Er empfindet einen abgrundtiefen Hass auf die Welt.«
Also doch kein Racheakt an Schwulen, wie es die Staatsanwaltschaft formuliert hat? Der Gutachter stellt zwar in Rechnung, dass Franz Rawski, der nach wie vor bestreitet, bisexuell zu sein, sich die HIV-Infektion tatsächlich beim – allerdings unbewiesenen – Geschlechtsverkehr mit einem Mann zugezogen haben könnte, doch habe er mit der Krankheit »zehn Jahre lang relativ gut gelebt«. Aus diesem Grund sei das Rachemotiv wenig überzeugend. Allerdings relativiert der Sachverständige seine Schlussfolgerungen, als er vollkommen zutreffend bemerkt: »Über diesem Fall schwebt ein Begriff: Geheimnis.« Und das kennt nur der Angeklagte.
Die Staatsanwaltschaft schließt sich dem Gutachter an und unterstellt dem Angeklagten »Mordlust«, er habe »aus Freude an der Vernichtung eines Menschenlebens gehandelt, aus Zeitvertreib«. Und: »Die Taten sind geprägt von kalter Willkür
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