Killerinstinkt: Serienmördern auf der Spur (German Edition)
und Hinterhältigkeit, sie sind besonders ruchlos und niederträchtig.« Die juristische Konsequenz daraus soll bei der eindeutigen Beweislage die höchstmögliche Strafe sein: Lebenslänglich, Feststellung der besonderen Schwere der Schuld, Sicherungsverwahrung.
Für den Anklagevertreter ist Franz Rawski ein Serienmörder, den nur die Verhaftung gestoppt habe. Auch der Raubüberfall in Rottweil sei auf das Motiv der Mordlust zurückzuführen. »Er hat mehr Risiko gesucht, weil er den Kick steigern wollte«, begründet der Staatsanwalt das in diesem Fall absonderlich anmutende Verhalten des Angeklagten.
Der Verteidiger hingegen sieht zumindest den Raubüberfall in einem anderen Licht. »Da war die Entdeckung doch vorprogrammiert. In so große Gefahr hätte er sich doch nicht aus reiner Mordlust begeben.« Nur vermag auch Franz Rawskis Rechtsbeistand nicht zu erklären, aus welchen Gründen sein Mandant gehandelt hat. »Ich glaube, wir kennen nur die halbe Wahrheit«, bekennt er und vermutet: »Da steckt eine völlig andere Geschichte dahinter, die wir wahrscheinlich nie erfahren werden.«
Nach den Plädoyers der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung hat der Angeklagte das letzte Wort. Franz Rawski überrascht alle Anwesenden und sagt tatsächlich etwas. »Wenn jemand hier im Saal sein sollte, heute oder an den vergangenen Verhandlungstagen«, formuliert er mit fester Stimme, »der annimmt, dass ich der Grund für seinen Kummer, sein Leid oder seine Nöte bin, würde mir das sehr leidtun, und ich bitte um Vergebung. Wenn Menschen ihre Neigung verleugnen und sie in obskuren Subkulturen ausleben müssen, dann sind nicht die Schwulen und Lesben pervers, sondern die Umwelt, in der sie leben müssen.«
Nach zweimonatiger Verhandlung wird schließlich das Urteil verkündet. Niemand zweifelt ernsthaft daran, dass ein Schuldspruch erfolgt, mit Spannung wird dagegen die Einschätzung des Gerichts zum Tatmotiv erwartet. War es tatsächlich Mordlust?
»Dass er die Taten begangen hat, steht zweifelsfrei fest«, begründet die Vorsitzende zu Beginn ihrer Ausführungen das Urteil. Franz Rawski muss deshalb lebenslang hinter Gitter, kann nicht vorzeitig entlassen werden und ist obendrein mit Sicherungsverwahrung belegt worden. Höchststrafe.
Franz Rawski gibt sich unberührt, wahrscheinlich hat er mit dieser drakonischen Strafe gerechnet. Immer wieder sucht er mit den Augen das Publikum nach seiner Frau ab. Vergeblich. Elisabeth Rawski ist zu Hause geblieben.
Was den Mann zu den Morden getrieben hat, bleibt jedoch nach wie vor ein Rätsel. »Die Frage ist am schwersten zu beantworten, weil der Angeklagte keine Angaben gemacht hat«, sagt die Richterin. Zwar sei unbestritten, dass die Taten eine »Affinität zum Homosexuellen-Milieu zeigen«, allerdings habe niemand herausfinden können, in welcher Form. Die HIV-Ansteckung des Angeklagten sei allerdings zu lange her und daher für den Entschluss, Homosexuelle zu töten, unbeachtlich.
Beim Motiv »Mordlust« ist das Gericht der Auffassung der Staatsanwaltschaft nicht gefolgt. Für diese Annahme hätten zwar deutliche Anhaltspunkte vorgelegen, doch sei »dies nicht ganz ausreichend« gewesen. Jedoch habe der Angeklagte bei den Taten einen »unbedingten Vernichtungswillen« erkennen lassen und aus »niederen Beweggründen« gehandelt. Auch hält die Kammer Franz Rawski für dauerhaft gefährlich. »Er hat die fest eingewurzelte Neigung und wird sie immer wieder ausleben, wenn er die Gelegenheit bekommt«, resümiert die Vorsitzende und zieht damit den Schlussstrich unter einen denkwürdigen Prozess. Einen Prozess jedoch, der letztlich insbesondere für die Hinterbliebenen der Opfer unbefriedigend war, denn sie werden nun wohl niemals erfahren, warum ihre nächsten Angehörigen einen gewaltsamen Tod sterben mussten.
Hat Franz Rawski tatsächlich nicht aus »Mordlust« gehandelt? Dieses Motiv zählt zu den neun sogenannten Mordmerkmalen, die ein Urteil auf Totschlag ausschließen und die vorsätzliche Tötung eines Menschen als Mord im Sinne von Paragraph 211 des Strafgesetzbuches kennzeichnen. Als Strafmaß kommt dann nur lebenslange Freiheitsstrafe in Frage.
Bevor man diesem sehr selten zu beobachtenden Motiv nachspürt, muss die Rechtsprechung bemüht werden. Denn der Bundesgerichtshof hat in mehreren Beschlüssen definiert, was genau unter Mordlust zu verstehen ist: »Dieses Merkmal ist gegeben, wenn der Täter aus unnatürlicher Freude an der Vernichtung eines
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