Killerinstinkt: Serienmördern auf der Spur (German Edition)
Junge habe sich auch während der Fahrt unauffällig benommen. Alles wie immer.
»Wir haben es stets so gehalten, dass meine Frau ihn zum Wochenende geholt hat und ich ihn zurückgebracht habe. An dem Wochenende vor seinem Verschwinden war alles normal gewesen, Tobias hatte sich mehrfach mit seinem Freund Marcel getroffen und war frohen Mutes. Er freute sich schon auf die Ferien, wir hatten nämlich einen Skiurlaub gebucht.
Als Tobias und ich im Internat ankamen, war es wegen der Zeitumstellung noch hell. Ich hielt auf dem kleinen Parkplatz vor dem Internatsgelände. Tobias ist ausgestiegen, hat seinen Beutel genommen, und wir haben uns verabschiedet. Dann ging er den Plattenweg entlang zum Torbogen und verschwand um die Ecke.«
Die Kripo führt in Haus G erste Ermittlungen durch und nimmt auch Tobias’ Zimmer in Augenschein, das im Parterre am Ende des Flurs liegt. Die Sachen des Jungen werden durchgesehen, doch Hinweise darauf, warum er das Internat verlassen haben und wo er sich aufhalten könnte, werden nicht gefunden.
Im Aufenthaltsraum des Hauses, in dem der Schlafanzug gelegen hat, finden die Ermittler weder an dem geöffneten Fenster noch am Fensterbrett Fingerspuren von Tobias. Es werden überhaupt keine Spuren gefunden, auch nicht von anderen Schülern oder Lehrern. Deshalb muss zunächst dahinstehen, auf welchem Weg Tobias nach draußen gelangt ist.
Schließlich wird der Zimmernachbar befragt. Nach Aussage von Jochen Maurer war Tobias am Montagabend schlecht gelaunt und hat kaum gesprochen. Ganz anders als an den Abenden zuvor, als sie sich noch lange unterhalten haben. Nach dem Abendessen waren die Jungen noch bis neun vor dem Haus spielen. Zwischendurch sei Tobias allein kurz in einem kleinen Waldgebiet gewesen, das unmittelbar an das Internatsgelände grenzt.
Auch nach dem Abendessen ist aus Sicht des Zimmernachbarn nichts Besonderes vorgefallen, bis Frau Kallen das Zimmer kontrolliert und bemerkt hat, dass die Tür von innen verschlossen war. Die Lehrerin zog den Schlüssel ab und verkündete, dass ihnen zur Strafe bis auf weiteres die einmalige Abendverlängerung pro Woche gestrichen wird. Tobias habe das Zimmer jedoch nur abgeschlossen, um beim Umziehen von Frau Kallen nicht überrascht zu werden. Das wurde von der Erzieherin aber als Ausrede gewertet.
Manfred Mohn hält sich zum Zeitpunkt des Verschwindens seines Sohnes in Heidelberg auf, der Computerfachmann nimmt dort an einer Fortbildungsveranstaltung teil. Als er von der Sache erfährt, bucht er den nächsten Flug zurück nach Hamburg und erfährt noch am selben Abend von seiner Frau, was sich in den vergangenen achtundvierzig Stunden ereignet hat.
»Da war vor allen Dingen dieses Gefühl der völligen Ratlosigkeit. Ich konnte mir überhaupt nicht vorstellen, was das sollte. Mein Schwiegervater hatte anklingen lassen, dass die Kripo vermutet, Tobias könnte weggelaufen sein. Das war mir aber unbegreiflich. Ich war wie vor den Kopf gestoßen. Es hatte keinerlei Anzeichen bei Tobias gegeben, dass etwas nicht in Ordnung sein könnte.«
Die Kripo hat unterdessen Nachforschungen zu Tobias angestellt. Daraus ergibt sich folgendes Bild: Tobias erlitt im Alter von drei Jahren zwei epileptische Anfälle, jedoch konnten mit Hilfe von Medikamenten in der Folgezeit weitere Anfälle unterdrückt werden. Seit einem halben Jahr galt er als geheilt. Trotzdem hatte Tobias in der Schule Lernprobleme, die auch auf die regelmäßige Einnahme der Antiepileptika zurückzuführen waren. Nach der Grundschule kam der Junge aufs Gymnasium, musste aber wegen erheblicher Probleme schon bald auf eine Realschule wechseln. Doch auch hier kam er nicht zurecht und wurde mitten in der sechsten Klasse in die Hauptschule querversetzt. Auf Betreiben der Eltern erfolgte mit Beginn des Herbstschuljahres 1991 die Unterbringung des Jungen in dem Internat in Scheeßel. Daraufhin verbesserten sich seine schulischen Leistungen erheblich.
Nachdem die Ermittlungen im Umfeld des Vermissten vorerst abgeschlossen sind, hält die Kripo ein Verbrechen für wenig wahrscheinlich, zumal keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorliegen. Aufgrund der Namensgleichheit mit der prominenten Gütersloher Verlegerfamilie Mohn könnte Tobias möglicherweise irrtümlich entführt worden sein, überlegen die Ermittler, doch auch diese Annahme ist hypothetisch. Um dennoch nichts unversucht zu lassen, wird das Telefon der Eltern an ein Tonbandgerät angeschlossen.
»Als ich mit meiner Frau mal
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