Killerinstinkt: Serienmördern auf der Spur (German Edition)
werden an verschiedenen Seen eingesetzt, Hubschrauber überfliegen mit Wärmebildkameras das Gebiet. Doch Tobias bleibt unauffindbar. Irgendwann hält Manfred Mohn die bleierne Ungewissheit nicht mehr aus und macht sich selbst auf die Suche nach seinem Sohn.
»Ich bin in die Umgebung von Scheeßel gefahren und habe mich dort umgesehen. Jeden Waldweg habe ich abgesucht, bin Feldwege abgefahren, habe Scheunen durchstöbert. Nichts. Irgendwann bin ich zu dem Schluss gekommen, dass er sich alleine gar nicht hätte durchschlagen können, das erschien mir einfach unmöglich. Tobias hätte da keine Nacht durchgehalten, es war ja zu dieser Zeit noch sehr kalt. Wenn er weggelaufen wäre, dann wäre er auf jeden Fall schnell wieder nach Hause gekommen.«
Manfred Mohn klammert sich an die vage Hoffnung, dass Tobias auch nach all der Zeit noch gefunden werden kann – lebend. Schlaflose Nächte durchwacht er trotzdem nicht, dafür ist er abends einfach zu erschöpft. Fünf oder sechs Stunden kommt er traumlos zur Ruhe, dann wacht er auf, und die Grübelei geht von vorne los.
»Ich bin nach zwei Wochen wieder zur Arbeit gegangen, weil ich mir sagen musste, das hat keinen Zweck, dass ich hier sitze und es tut sich nichts. Der Zustand, in dem wir uns befanden, ist eigentlich unbeschreiblich: Wir haben in unserem Haus nachts alle Lichter eingeschaltet, wir dachten, vielleicht taucht er hier irgendwo auf. Wir wollten ihm ein Zeichen geben. Ich bin am Wochenende mit Tobias’ Freund hier rumgefahren, um zu sehen, ob er sich nicht irgendwo versteckt hält. Es gibt hier in der Gegend überall Hochstände, die von Jägern genutzt werden. Da bin ich auch hingefahren. Aber da wurde mir schnell klar: Völliger Blödsinn, Tobias kann hier gar nicht sein. Und so ist die Zeit eben rumgegangen.«
Am 3. Mai 1992 finden Spaziergänger in den Dünen des Verdener Stadtwalds, einem überregional bekannten Naturschutzgebiet, die Leiche eines Jungen. Der 30 bis 40 Zentimeter unter der Erdoberfläche liegende Körper ist von Tieren teilweise freigegraben worden. Die Kripo vermutet, es könnte sich bei dem Toten um Tobias Mohn handeln. Bei der Obduktion des Jungen, dessen Hände mit einem Tau auf dem Rücken gefesselt wurden, bestätigt sich dieser Verdacht. Der Gerichtsmediziner vermutet eine Liegezeit von etwa vier Wochen. Der geschwollene Hals und punktförmige Hautblutungen in diesem Bereich legen Erwürgen oder Erdrosseln als Todesursache nahe. Zudem hat der Täter offenbar im Genitalbereich des Opfers manipuliert, jedenfalls sind entsprechende Spuren vorhanden. Die Kripo hat es demnach mit einem Sexualmord zu tun. Und Manfred Mohn dürfte mit der Vermutung, sein Sohn habe das Internat unfreiwillig verlassen, recht haben.
»Ich wollte gerade aus dem Haus gehen, da kam der Anruf. Im ersten Moment konnte ich gar nichts denken, da war nur ein großes, tiefes, schwarzes Loch. Als mir die Sache klargeworden war, musste ich es auch noch meiner Frau sagen. Das ist mir besonders schwer gefallen. Wir waren total am Boden.
Ich bin allerdings zu dem Zeitpunkt auch der Auffassung gewesen: Die haben jetzt die Leiche gefunden, und damit ist klar, es ist ein Mord passiert. Da muss es Spuren geben, die die Polizei zur Aufklärung des ganzen Falles bringen muss. Anfangs habe ich gedacht, in ein paar Tagen haben die das aufgeklärt. Dass sich die Sache dann so entwickelte, das war für mich unvorstellbar.«
Die Kripo Verden lässt eine Mordkommission aufrufen, der elf Beamte angehören. Als das endgültige Ergebnis der Obduktion vorliegt, kann der Todeszeitpunkt näher eingegrenzt werden. Denn im Magen des Toten ist unter anderem Reis gefunden worden, und die letzte Abendmahlzeit im Internat ist nachweislich ein Reisgericht gewesen. Also dürfte Tobias bereits wenige Stunden nach seinem Verschwinden getötet worden sein.
Die Ermittler besuchen die Familie Mohn und berichten von den Ereignissen der vergangenen achtundvierzig Stunden. Nach wie vor glauben die Fahnder, Tobias habe das Internat aus eigenem Antrieb verlassen. Manfred Mohn lässt sich bei dem Gespräch auch die Bekleidung beschreiben, die Tobias zum Zeitpunkt seines Verschwindens getragen hat.
»Als Tobias gefunden wurde, hatte er ein Sweatshirt an, das wir gar nicht mehr auf unserer Rechnung hatten. Wir waren sicher, dass wir es einem Jungen aus der Nachbarschaft geschenkt hatten. Jetzt trug es plötzlich Tobias. Ich sagte mir, das Ding hätte er von sich aus nie angezogen. Und in seinem Zimmer
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