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Killerinstinkt: Serienmördern auf der Spur (German Edition)

Killerinstinkt: Serienmördern auf der Spur (German Edition)

Titel: Killerinstinkt: Serienmördern auf der Spur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Harbort
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Fehlleistungen der Ermittler. Der Misserfolg scheint ihm recht zu geben.
    Manfred Mohn zeigt mir die »Bildmappe zur Vermisstensache Tobias Mohn«. Darin sind Farbaufnahmen vom Entführungsort, dem Fundort der Leiche sowie der Obduktion. Die Serie beginnt unspektakulär, geradezu harmlos: eine kleinstädtische Wohnstraße, ein großer Gebäudekomplex, ein Torbogen. »Hier ist er zur Schule gegangen«, sagt Manfred Mohn scheinbar ungerührt, ungemein sachlich, nüchtern. Es folgen Umgebungsfotos der Schule, dann Bilder aus dem Innenbereich, ein Flur, der Aufenthaltsraum, schließlich das Zimmer des Jungen.
    Der Mann mit dem akkurat gescheitelten Haar und dem grauen Bart blättert weiter, wortlos, fast wie in Trance. Ich überlege, was wohl in ihm vorgehen mag, wie er diese Belastung erträgt, jetzt, in all den Jahren zuvor und in Zukunft. Wie schafft er das, ohne zu verzweifeln, ohne den Mut zu verlieren, woher nimmt er die Energie, sich mit dem Leid des eigenen Kindes immer wieder auseinanderzusetzen?
    Es folgt der nächste Bildband, diesmal beginnend mit Luftaufnahmen einer Dünenlandschaft. Rote Pfeile markieren die Fundstelle des toten Körpers. Ein Kinderfahrrad liegt im Sand, wie hingeworfen. Großaufnahmen einer Reifenspur. Daneben eine leere Sektflasche. Und dann Männer mit Spaten in der Hand, die etwas ausgraben – ein menschlicher Körper wird sichtbar, die Hände sind auf dem Rücken gefesselt. Schließlich liegt der geborgene Leichnam auf einer ausgebreiteten Plastikfolie.
    »Möchtest du die Bilder von der Obduktion sehen?«, fragt mich Manfred Mohn leise.
    »Nein, schon gut.« Ich fürchte nicht die Bilder selber, sondern die Situation als solche, ihre Emotionalität, die seelische Belastung meines Begleiters, dessen Blicke mir unentwegt sagen: Ich will endlich wissen, was passiert ist!
    Dienstag, 31. März 1992.
Ein Internat in der Gemeinde Scheeßel bei Hamburg, Haus G, Erdgeschoss, Zimmer 4.
    Es ist 5.30 Uhr, als der Wecker zu klingeln beginnt. Jochen Maurer wird wach und wartet darauf, dass sein Zimmergenosse den Wecker ausstellt. Doch es klingelt weiter. »Tobias, mach den Wecker aus.« Keine Reaktion. Jochen schaut missmutig zu Tobias’ Bett hinüber. Leer. Wahrscheinlich ist er im Bad, überlegt der 15-Jährige, macht den Wecker aus und schläft noch mal ein.
    Eine halbe Stunde später wacht Jochen wieder auf. Der erste Blick geht zum verwaisten Bett seines Freundes. Tobias muss wohl immer noch im Bad sein, vermutet Jochen, steht auf und sieht nach. Fehlanzeige. Komisch. Jochen macht sich auf die Suche. Auch im Aufenthaltsraum findet er seinen Freund nicht, dafür aber dessen verdrehten Schlafanzug, der auf einer Tischreihe vor einem entriegelten Fenster liegt. Merkwürdig. Schlimmer: Das ist eindeutig ein Grund zur Besorgnis. Jochen alarmiert sofort die Hausleitung, dass Tobias nicht mehr da ist.
    Dreieinhalb Stunden später befragen Beamte der Kripo Verden den verantwortlichen Erzieher in Haus G. Horst Kallen berichtet, dass Tobias erst zu Beginn des Schuljahres in das Internat nach Scheeßel gekommen war, Gründe für das Verschwinden des 13-Jährigen seien für ihn nicht zu erkennen gewesen. Gegen 22 Uhr hat seine Frau noch im Zimmer der Jungen nach dem Rechten gesehen und sie zur Ordnung rufen müssen, da sich die beiden lautstark unterhalten haben und die Zimmertür entgegen der Regel abgeschlossen war.
    Horst Kallen beschreibt Tobias als zurückhaltendes, etwas eigenbrötlerisches, aber vernünftiges Kind, das bisher nicht verhaltensauffällig geworden sei. Auch habe der Junge mit anderen Schülern keinen Streit gehabt. Ungewöhnlich sei allein gewesen, dass Tobias sich vornehmlich mit jüngeren Kindern angefreundet habe.
    »Mein Sohn war meist aufgeschlossen, konnte sich aber auch in sich zurückziehen. Wenn er mal was berichten sollte, dann ist das immer sehr knapp ausgefallen und man musste immer nachfragen und ihn ermuntern. Als er noch an der Grundschule war, da ist er so ein bisschen der Klassenkasper gewesen. Seine Mitschüler haben ihn deshalb nicht für voll genommen. Insgesamt war er aber ein lieber und lebhafter Junge.«
    Charlotte Mohn, Tobias’ Mutter, berichtet den Ermittlern, ihr Sohn sei am vergangenen Wochenende wie gewöhnlich zu Hause gewesen. Er habe einen fröhlichen Eindruck gemacht, es sei nichts Außergewöhnliches vorgefallen, es habe auch keine Auseinandersetzung gegeben. Am Sonntagabend sei Tobias von seinem Vater ins Internat zurückgebracht worden, der

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