Killerinstinkt: Serienmördern auf der Spur (German Edition)
jedoch und greife einen anderen Aspekt auf.
»Sie haben früher sehr darunter gelitten, dass niemand da war, dem Sie hätten vertrauen können. Kann man das so sagen?«
»Sonst würden wir jetzt nicht hier sitzen …«
»Wie ist das denn heute? Wie gelingt es Ihnen, Vertrauen aufzubauen?«
»Och, der erste Eindruck. Sympathie oder Antipathie. Ich checke ihn erst mal ab.«
»Was checken Sie denn am Gegenüber?«
»Ob er einen guten Eindruck macht. Der Rest ergibt sich im Gespräch. Wenn ich merke, mit dem komme ich nicht auf einen Nenner, dann sag ich dem das.«
»Und das war früher nicht so …«
»Ja, das hätte ich früher nie gemacht.«
Ich habe den äußeren Rahmen dieses Gesprächs mittlerweile ausgeblendet und konzentriere mich ausschließlich auf Joachim Mattock, halte fortwährend Blickkontakt, schaue nicht auf mein Konzeptpapier, sondern versuche, ihm ein Gefühl von besonderer Nähe und ungeteilter Aufmerksamkeit zu vermitteln.
»Sie haben eine langjährige Karriere als Straftäter hinter sich. Welche Fehler sind Ihnen dabei passiert?«
»Der größte Fehler war, Urteile zu lesen.«
»Urteile von anderen Gefangenen?«
»Ja.«
»Weil die Sie auf falsche Gedanken gebracht haben?«
»Genau das ist es.«
»Was hat Sie denn bei den Urteilen so angesprochen?«
»Ich kannte so was doch gar nicht: Vergewaltigung, Mord. Als ich das gelesen hab, bin ich halt auf den Gedanken gekommen, so was auch mal zu machen.«
Eine gute Gelegenheit, noch einmal auf eine bisher unbeantwortet gebliebene Frage zurückzukommen.
»Und was haben Sie bei den Taten falsch gemacht?«
»Alles.«
Diese Antwort ist zwar unbefriedigend, aber sie bringt mich auf eine Idee. Nach seinem ersten Mord ist Joachim Mattock bereits zwei Tage später festgenommen und letztlich durch eigene Unachtsamkeit überführt worden. Vielleicht gelingt es mir, über diesen Aspekt eine Brücke zur Tat selber zu schlagen, ohne ihn direkt danach fragen zu müssen. Ich probiere es.
»Apropos Fehler. Die Sache mit dem Schlüssel des Opfers – wie kam das?«
»Die Bullen kamen in unsere Werkstatt und sagten, dass ich mitkommen soll zur Vernehmung. In der Schule, die hatten da ihre Zweigstelle, haben sie gesagt, ich soll die Taschen leer machen. Den Schlüssel hatte ich noch in der Tasche.«
»Und dann?«
»Ich hab denen gesagt: ›Was eiert ihr denn jetzt noch so rum? Kommt doch mal auf den Punkt.‹ Und dann haben sie mich gefragt, ob ich’s gewesen bin. ›Logisch‹, hab ich gesagt.«
»Warum haben Sie denn den Schlüssel überhaupt mitgenommen?«
»Die Handtasche lag neben ihr. Da hab ich mir gedacht, kannst du ja mitnehmen, vielleicht ist noch was drin.«
»Geld?«
»Denke schon. Später wollte ich die Handtasche verbrennen.«
»Aber Sie hätten die Handtasche doch an Ort und Stelle durchsuchen können …«
»Nee, da kamen Leute, da hatte ich Schiss und musste weg, nur weg.«
»Und da haben Sie entschieden, die Handtasche mitzunehmen?«
Joachim Mattock nickt.
»Was ist dann mit der Handtasche weiter passiert?«
»Hab ich verbrannt.«
»Und der Schlüssel?«
»Brannte nicht. Hab ich eingesteckt.«
»Warum?«
»Weiß nicht. War mehr so ein Reflex.«
»Und später haben Sie an den Schlüssel nicht mehr gedacht?«
»Genau. Einfach vergessen.«
»Kannten Sie das Mädchen?«
»Vom Sehen her ja, sonst nicht.«
»Und Sie sind ihr zufällig begegnet?«
Kopfnicken.
»Können Sie mir den Ort beschreiben, wo Sie auf das Mädchen getroffen sind?«
»Das war eine einsame Landstraße, die den Berg hochging. Ich war da unterwegs, und von oben kam die auf mich zu. Es war schon dunkel.«
»Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie das Mädchen gesehen haben?«
»Da kommt noch jemand gelaufen. Das wäre eine gute Gelegenheit, hab ich gedacht. Jetzt oder nie.«
»Wie sah die Frau denn aus?«
»Weiß nicht, die hatte eine Kapuze auf.«
Das Opfer ist Rosalinde Kracht, eine 17-jährige Schülerin aus Silbitz, einer kleinen Gemeinde an der Stadtgrenze von Gera. Es ist 22.15 Uhr, die junge Frau hat nach dem Besuch einer Freundin den Bus verpasst und läuft zu Fuß nach Hause. Sie ist 1,68 Meter groß, hat lange blonde Haare und ist bildhübsch.
»Aber Sie haben erkannt, dass es sich um eine Frau handelt?«
»Ja.«
»Woran?«
»Am Klack-klack-klack.«
»Klack-klack-klack?«
»Ja, ihre Schuhe.«
»Die hohen Absätze haben klack gemacht?«
»Ja. Und so am Gang, als sie auf meiner Höhe war.«
»Wie ging es weiter?«
»Wo sie
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