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Killerspiel

Killerspiel

Titel: Killerspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marshall
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es auch noch so lange her. Wenn man bedenkt, wie oft wir anderen und uns selbst etwas vormachen, ist es eigentlich seltsam, wie verletzlich man auf die Lügen anderer reagiert.
    Im oberen Stock der Maisonette – ein kleiner Bereich mit einem zweiten Schlafzimmer und Bad, zu dem eine schmale Treppe führt – findet er eine Abstellkammer, in der jedoch nur zwei Koffer stehen, beide leer. Es sieht so aus, als bekäme er nichts weiter aus ihr heraus als die Namen, die sie ihm am Nachmittag genannt hat. Und sie hatte schon früh versucht, sie ihm zu nennen. Es hätte nicht so weit kommen müssen, das war das Schlimmste an der Sache.
    Nur … nachdem er den Ausschnitt seines T-Shirts heruntergezogen und in ihren Augen gelesen hatte, dass sie die Zeichen verstand und ihn erkannte, war der weitere Verlauf besiegelt. Sie hatte versucht, zu reden, ihm Dinge zu sagen, Namen zu nennen, als wollte sie ihr Gewissen erleichtern, doch er hörte ihr nicht mehr zu.
    Er hört immer noch die Geräusche im Kopf, erinnert sich an die Raserei. Zwischendurch hatte er das Gefühl, als hätte er eine andere Frau vor sich, genauso alt, aber dicker – eine Frau, deren Herz versagte. Erinnerungen, die in irgendwelchen Seitenarmen versanden.
    Als er schließlich ins Wohnzimmer zurückkehrt, entdeckt er ein paar Kräusel in der Schabracke des Sofas. Er greift darunter und findet einen Laptop. Nicht versteckt, nur aus dem Weg geräumt. Hazel gehörte einer Generation an, für die Computer nichts weiter als Apparate sind – wie ein Staubsauger oder Bügelbrett –, die man hervorholt, benutzt und wieder verstaut, da sie in der Einrichtung eines Raums nichts zu suchen haben.
    Auch wenn die Ausbeute nicht groß ist, so erkennt er im matten, kalten Licht des Bildschirms bald, dass die Frau ihre Vergangenheit hier gespeichert hat. Es sind eine Menge Fotos darauf, vermutlich hat eines ihrer Kinder Moms visuelle Geschichte einmal sorgfältig für sie digitalisiert. Er lehnt sich an die Wand und fängt an, die Dateien durchzusehen.
     
    Bis vier Uhr morgens hat er ein einziges Bild zur Seite gezogen. Es ist ein Schnappschuss von David Warner mit den beiden Wilkins, der vor vielen Jahren in einer Bar entstanden ist, und Hunter kommt es so vor, als fühlte sich Hazel darauf nicht ganz wohl. Warner hat ihr den Arm um die Schulter gelegt und trägt ein gerissenes Grinsen zur Schau. Das Lächeln der älteren Frau wirkt aufgesetzt. Allerdings ist dieses Foto von keiner allzu großen Hilfe, da alle darauf, mit Ausnahme von Warner, jetzt tot sind.
    Dann stößt er auf ein letztes Bild. Darauf sind mehr Leute abgebildet, und als Hunter richtig registriert, was er dort sieht, zittern seine Hände. Er klappt den Laptop zu, doch das ändert wenig.
    Das Bild hat sich wie eine Leuchtfackel in seinen Kopf gebrannt. Wahrscheinlich wurde es von der Frau aufgenommen, die tot im Schlafzimmer liegt. Zumindest ist sie nicht darauf zu sehen, ihr Mann dagegen schon. Es wurde vor dem Columbia Restaurant auf dem St. Armands Circle gemacht. Auf dem gedeckten Tisch stehen halb leergegessene Teller und Krüge mit halb ausgetrunkener Sangria. Kerzen sind angezündet, Lampen angeknipst – es ist mitten am Abend, das Essen noch nicht beendet. Den Mittelpunkt bildet Phil Wilkins, neben einem jung aussehenden Warner, außerdem sind da zwei weitere Frauen und zwei Männer, die Hunter so halbwegs wiedererkennt. Sie sehen glücklich aus, strotzen vor Selbstvertrauen und Freude über ihren Wohlstand und ihre glücklichen Lebensumstände – ihr gemeinsames Grinsen und der gebräunte Teint so unangreifbar wie eine Festung, mit Ausnahme des Paars in der Mitte, das eher gequält höflich lächelt, als wären die beiden mit ihren Gedanken woanders.
    Seitlich hinter dem Tisch, außer Reichweite des Blitzlichts, steht ein weiterer Mann. Er sieht nach unten, als er den ramponierten Wagen abschließt, in dem er gerade gekommen ist. Er bekommt von dem Kodak-Moment sieben Meter entfernt von ihm nichts mit. Der Mann ist John Hunter.
    In dem Moment, als der Schnappschuss entstand, war ihnen nicht einmal bewusst, dass er da war. Etwa dreißig Sekunden, nachdem das Foto gemacht wurde, entdeckte er Phil Wilkins am Tisch, und Phil stand auf und war – rückblickend – darauf bedacht, zu Hunter zu gehen, statt zu warten, bis Hunter seinerseits zum Tisch kam.
    Sie unterhielten sich kurz. Auch wenn Hunter ein paar der anderen vom Sehen kannte – und Warner ein paarmal begegnet war –,

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