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Killerspiel

Killerspiel

Titel: Killerspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marshall
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hätte hinübergelangen können. Ich lehnte mich aufs Geländer, so dass es schwankte und quietschte, und sah keine Möglichkeit, wie ich hier hinunterkommen sollte, ohne mir das Genick zu brechen. Das hier war eine Sackgasse. Es gab nur einen Weg aus dieser Wohnung. Ich trat genau in dem Moment wieder ein, als die Tür aufflog.
    Eine Frau stürzte herein. Sie trug Jeans, ein schwarzes T-Shirt und braunes, zum Pferdeschwanz zusammengebundenes Haar. Sie registrierte das Wort an der Badezimmertür.
    »
Wo
ist sie?«
    Ich hatte wohl zur Schlafzimmertür geblickt. Sie rannte hinüber, steckte den Kopf zur Tür hinein – und fluchte mit einer Stimme, die sich fast überschlug.
    Als sie wieder herauskam, wurde mir klar, dass ich sie bereits gesehen hatte, wenn auch anders gekleidet. Sie war die Kellnerin von Jonny Bo’s. Diejenige, die uns am Montag bedient hatte.
    »Was … was machen Sie denn …«
    »Kommen Sie mit«, sagte sie, packte mich am Arm und zerrte mich mit so viel Kraft zur Wohnungstür, dass sie mich beinahe umgerissen hätte. »Kommen Sie, sofort, oder Sie sterben.«
     
    Sie trieb mich auf dem Gang zur Wendeltreppe vor sich her. Ich stolperte die Stufen hinunter, eine nach der anderen, immer im Kreis, während mir der Schädel zu platzen drohte, und leistete keinen Widerstand, bis wir unten waren und den Hof betraten, wo sie Richtung Tor lief.
    »Wer sind Sie? Wieso …«
    Sie blieb in einer einzigen Bewegung stehen, drehte sich um, und bevor ich wusste, wie mir geschah, hatte ich ihre Hand an der Kehle, so dass Daumen und Finger mir die Luft abdrückten. Sie sah mir eindringlich in die Augen und tippte mir mit zwei Fingerspitzen leicht auf die Wange.
    »Keine Fragen. Tun Sie, was ich sage, und zwar jetzt
gleich,
oder ich lass Sie hier, und das war’s dann für Sie.«
    Sie ließ mich los und rannte zum Tor. Ich lief hinterher. Ich wusste nicht, was ich sonst tun sollte. Auf der Straße davor parkte ein ramponierter Pick-up. Ich ging um das Fahrzeug herum, während sie die Tür auf der Fahrerseite öffnete. Kaum, dass ich den Hintern auf dem Sitz hatte, gab sie auch schon heftig Gas, machte eine 180 -Grad-Wendung und schoss dann in rasantem Tempo auf die Straße.
    Nach dreißig Metern bremste sie jedoch scharf und starrte angestrengt durch die Windschutzscheibe die lange, kurvige Straße entlang, die an den Apartmenthäusern entlangführte, an denen ich am Abend mit einem Mädchen vorbeigelaufen war, das … mit dessen Blut inzwischen ein Wort auf ihre Badezimmertür geschrieben worden war.
    »Mist, Mist, Mist!«
    Die Frau rammte die Schaltung in den Rückwärtsgang und wendete in einem großen Bogen, um auf demselben Weg, den wir gekommen waren, zurückzufahren. Am Ende ihrer Kehrtwende bretterte sie über die Bordsteinkante, so dass ich mit dem Kopf gegen den Türrahmen knallte. Ich krachte auf meinen Sitz zurück und packte den Gurt, während sie auf den letzten fünfzig Metern der zweispurigen Straße weiter Gas gab.
    Am Ende befand sich ein niedriges Tor zwischen zwei Metallpfosten, und ich bin froh, dass das Tor offen stand, denn ich glaube nicht, dass sie angehalten hätte.
    Sie schlingerte hindurch und traf holpernd auf dem pockennarbigen einspurigen Weg auf, der ins Gestrüpp und in die sumpfigen Wälder dahinter führte. Es dauerte nicht lange, und das Gestrüpp drängte sich dichter an den Feldweg, der sich zwischen dem Buschland hindurchwand. Entweder war sie diesen Weg schon einmal gefahren, oder sie glaubte, keine Wahl zu haben, und raste immer schneller. Ich sah ein paar verblasste, halb umgekippte Makler-Verkaufsschilder, die darauf hindeuteten, dass irgendwann im Lauf der letzten zehn Jahre irgendjemand versucht hatte, diesen Teil von Lidos südlichem Niemandsland zu erschließen, ehe er irgendwann aufgegeben hatte. Ansonsten peitschten uns nur noch Zweige ans Fenster.
    Nach ein paar Minuten wurde der Weg ein wenig breiter, und rechts von uns traten die Bäume zurück, so dass wir das Ufer eines flachen, überwucherten Gewässers vor uns hatten. Ein Erinnerungsfetzen an einen verschwommenen Nachmittag vor vielen Jahren blitzte in mir auf: ein Ort, zu dem man laufen konnte, wenn man unerschrocken war, eine Menge Zeit mitbrachte und am Lido Beach Inn losging, dann den langen Weg an der Küste entlang, an all den Motels vorbei nahm – schließlich die Grenze überschritt, bis zu welcher der Mensch sich die Landschaft zurechtgestutzt und gefügig gemacht hatte. Doch ich hatte keine

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