Killerspiele: Palinskis fünfter Fall (German Edition)
»Es ist ja ohnehin schon egal. Das war Kriminaloberrat Dr. Wanz vom Landeskriminalamt. Sein Nom de Guerre lautet ›Rigoletto‹. Hchn, hchn, ich werde übrigens der ›Marchese‹ genannt.
»War das nicht der Vater Leonoras? Ich halte das für keine glückliche Namenswahl«, meinte Palinski.
»Ich weiß«, sagte Bittner, »aber ich habe den ersten Akt überlebt. Ich sterbe erst am Schluss. Das ist eben ›La Forza del Destino‹ im wirklichen Leben.«
Die bisherige Spannung war wieder gewichen und hatte einer fast kumpelhaften Flachserei zwischen den beiden ungleichen Männern Platz gemacht.
»Wo ein Rigoletto ist, dürfte aber auch ein Herzog nicht zu weit weg sein«, spekulierte Palinski. »Wer aber ist der ›Duca di Stoccarda‹, der Mann hinter Dr. Wanz?«
»Da gibt es jemanden«, war sich Bittner sicher, »aber der hält sich ungemein bedeckt. Wanz selbst ist nur ein Laufbursche.«
»Darum haben ihn seine Leute wohl auch zum Abschuss frei gegeben.«
Das war Palinski jetzt einfach herausgerutscht. Ganz gegen seinen Willen und er bereute es auch sofort.
Erstens die streng vertrauliche Information, die eigentlich nur für Wiegele bestimmt gewesen war. Und zweitens dieser gedankenlose, martialische Ausdruck ›zum Abschuss freigeben‹. War er auch schon von dieser menschenverachtenden Sprache angesteckt worden, die anscheinend immer mehr um sich griff?
»Und wer wird diesen Mistkerl Wanz erledigen?« Bittner war offenbar an Details interessiert.
»Das wird die große Profilierungschance für deinen neuen Schwiegersohn, Hauptkommissar Anselm Wiegele«, stellte Palinski klar. »Die Gelegenheit, sich wieder zurück in die kriminalistische Premium League des Landes zu spielen. Er muss nur noch die entsprechenden Beweise beschaffen.«
Bittner bückte sich, zog die unterste linke Lade seines Schreibtisches heraus, entnahm einen dicken gelben Umschlag und reichte ihn Mario.
»Hier, gib ihm das. Da müssten die Fingerabdrücke des Herrn Kriminaloberrates drauf sein. Vielleicht hilft das Anselm«, erklärte er dazu.
Palinski lugte vorsichtig in das große Kuvert hinein. Wie er vermutet hatte, handelte es sich bei dem Inhalt um eine Kopie seines Manuskripts. »Das ist wahrscheinlich der meistgelesene unveröffentlichte Roman der Literaturgeschichte«, scherzte er halbherzig. »Warum gibst du das Beweismaterial nicht selbst weiter?«
»Irgendwie tut mir der kleine beamtete Scheißer auch leid«, bekannte der Anwalt. »Im Grunde genommen ist er kein schlechter Kerl. Ein ganz normales Arschloch eben. Und wer weiß, falls ich das Material behalte, überlege ich mir die ganze Sache möglicherweise noch einmal.«
Auffallend an Bittners Ausdrucksweise an diesem Morgen war der vergleichsweise häufige Gebrauch deftiger Ausdrücke. Soweit Palinski sich erinnern konnte, verwendete der Anwalt sonst kaum Wörter wie ›Mistkerle‹ und hatte noch nie jemanden als ›Scheißer‹ oder gar als ›Arschloch‹ bezeichnet. Und auf einmal diese Häufung »schlimmer Worte.« Der Mann war heute überhaupt irgendwie eigenartig. Wollte plötzlich nicht mehr Auto fahren und wirkte seltsam melancholisch.
Palinski blickte auf die Uhr, es war bereits nach elf. »Ich denke, ich mache mich jetzt auf den Weg«, meinte er und stand auf. »Ich würde sagen, unser Gespräch bleibt unter uns. Schließlich sind wir ja so etwas wie Schicksalsgenossen.«
»Eines noch«, Bittner hielt ihn am Arm zurück. »Ich möchte dich bitten, ein wenig auf Emma und die Kinder zu schauen, falls mir etwas passieren sollte. Wirst du das für mich tun?«
»Aber natürlich, ich verspreche es. Aber was soll dir denn passieren?«, wunderte sich Palinski.
»Nun, das geht oft schneller als man denkt.« Bittners Einwand klang irgendwie resignativ. »Aber dein Versprechen gibt mir ein gutes Gefühl. Danke.«
Der Anwalt holte eine kleine Männerhandtasche aus einer Lade und reichte sie Palinski. »Hier, die Fahrzeugpapiere, Schlüssel und Reserveschlüssel. Am besten, du nimmst den Wagen gleich mit. Die Hotelsuite ist bereits bezahlt, inklusive einem Galadiner für zwei Personen am Abend. Du musst nur mehr berappen, was ihr euch aus der Minibar nehmt.« Er lachte. »Gute Fahrt und küsse Wilma von mir. Und umarme meinen Guido für mich.«
* * *
Marianne Kogler hatte ein eigenartiges Gefühl.
Zunächst hatte sich ihr Vater von der Familie verabschiedet, als ob er eine längere Auslandsreise anträte. Als er sie umarmt hatte, flüsterte er ihr ins Ohr,
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