Killerspiele: Palinskis fünfter Fall (German Edition)
es war kein belustigtes Lachen. »Harry hat mir vorgestern sogar schon einen Wellensittich geschenkt, den ›Burschi‹. Damit ich nicht ganz so alleine bin.«
Jetzt war auch Wiegele näher getreten. »Guten Tag, Frau Palinski. Oh Pardon, so heißen Sie ja gar nicht. Herzlich willkommen in Singen.«
»Am besten, Sie sagen Wilma zu mir«, antwortete die Angesprochene, »dann gibt es keine Irrtümer. Wie geht es Marianne?«
Der Hauptkommissar nutzte die Anfrage, um sich selbst nach dem Befinden seiner Herzdame zu erkundigen. Es war nicht zu übersehen, dass er es genoss, jetzt jederzeit offiziell mit ihr Kontakt aufnehmen zu können. So ein Outing hatte schon seine Vorteile. An sich völlig normale Handlungen waren zunächst ganz wunderbare Unterbrechungen des Alltags. So lange, bis sie den Reiz des Neuen verloren und zur Selbstverständlichkeit geworden waren.
Marianne Kogler wiederum nahm die Information von der Ankunft Wilmas zum Anlass, sich sofort auf den Weg zur Polizeidienststelle zu machen. Einerseits, um Wilma persönlich zu sagen, wie es ihr ging. Andererseits hoffte sie darauf, die Gelegenheit auch für einen kleinen zärtlichen Kontakt mit Anselm mißbrauchen zu können.
Die fast familiäre Atmosphäre wurde durch Helga Martens gestört, die mit neuen Meldungen kam.
Oberkommissar Bellmann, den sie gut kannte, hatte ihr in einem eher privaten Telefonat bestätigt, dass die Auflage an Wiegele, ihn zu dem Einsatz in Beuren mitzunehmen und daher auch auf ihn warten zu müssen, definitiv nach Rücksprache mit dem Landeskriminalamt in Stuttgart erfolgt war.
Wiegele war sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Vor allem aber auch damit, wie rasch die Martens diese Information beschafft hatte. Der inoffizielle Weg war doch der bessere. Am Dienstweg hätte er eine Antwort auf diese Frage, wenn überhaupt, nicht vor einer Woche erhalten.
In dem ganzen Trubel um die überraschende Ankunft von Wilma wäre der mit den Videobändern gelieferte Brief fast vergessen worden.
Aber eben nur fast. Als sich nämlich die beiden Frauen zum Gehen aufmachten und die Männer aufforderten, sich ihnen anzuschließen, entschuldigte sich der Hauptkommissar mit dem Hinweis auf die Dringlichkeit der noch einzusehenden Beweise. Dabei dachte er an eben diesen Brief.
Und dabei wollte Palinski natürlich nicht fehlen. Also zogen Marianne und Wilma alleine los.
Fast andächtig öffnete Wiegele den Umschlag und entnahm ihm mit einer Pinzette vorsichtig ein einziges Blatt.
›Sehr geehrter Hauptkommissar‹, stand da. ›Der Mann, der für die schwere Verletzung Ihres Kollegen verantwortlich ist, heißt François Delanger und wohnt in Colmar, Rue de Martin 17. Wir bedauern diesen Zwischenfall, der ausdrücklich gegen unsere Intentionen erfolgt ist, ganz besonders‹. Weiter stand da: ›Für den Tod Herrn Webernitz’ war ein gewisser Gianni Pontresino verantwortlich. Da wir mit diesem Herren noch eine Rechnung offen hatten, mussten wir die Sache selbst in die Hand nehmen. Er ist gestern bei einem Unfall in der Metrostation ›Porte Dauphine‹ ums Leben gekommen.
Als Ausgleich möchten wir Ihre Aufmerksamkeit auf einen Ihrer Kollegen richten, der Ihnen sicher bekannt sein wird. Was immer Sie mit dieser Information anfangen werden, wird uns recht sein‹.
»Fehlt gerade noch die Hoffnung auf weiterhin gute Zusammenarbeit und freundliche Grüße«, ätzte Wiegele. »Also so etwas habe ich auch noch nicht erlebt.« Er steckte den Brief und die drei Videobänder in einen Plastiksack und verschloss ihn. »Mal sehen, ob das Labor etwas damit anfangen kann.«
»Und wie geht es jetzt weiter?«, wollte Palinski wissen.
»Na ja, als Erstes geht ein internationaler Haftbefehl gegen diesen François hinaus. Und dann müssen wir uns überlegen«, Wiegele kratzte sich an der Stirne, »wie wir den guten Dr. Wanz am besten packen.«
* * *
Inzwischen hatte Dr. Ernst Bittner einen Plan entwickelt. Einen etwas radikalen, insgesamt aber guten Plan, der ihm geeignet erschien, sämtliche Probleme mit einem Schlag zu lösen. Dann hatte er die restlichen Bedenken zur Seite geschoben und beschlossen, diesen Plan auch in aller Konsequenz durchzuführen.
Komisch, dachte der Anwalt. Nach seinem Besuch beim Arzt war er richtig bedrückt gewesen. Der sorgenvolle Blick seines alten Freundes Dr. Besele und dessen dringende Empfehlung, so rasch wie möglich einen Spezialisten aufzusuchen, hatten Bittners unbestimmte Befürchtungen noch verstärkt. Nein, eher
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