Killervirus - Gerber, R: Killervirus - Heartstopper
Road. Vorbei an eintönig grauen Wohn- und Industriegebieten führte die vierspurige Straße kerzengerade zu der Kleinstadt Manassas, um die im amerikanischen Bürgerkrieg eine der ersten großen Schlachten zwischen Nord- und Südstaaten getobt hatte.
Als Rudy Collins hier vor einem Jahr in den Besitz einer maroden, von Insolvenz bedrohten Verpackungsfirma namens
Manassas Packaging gekommen war, hatte ihn die Tatsache, dass die Fabrik auf blutgetränktem Boden stand, nicht abgeschreckt. Im Gegenteil, er hatte das sogar für ein gutes Omen gehalten, denn auch das Geschäftsleben war oft eine Art Krieg. Ein Krieg, der mit den Waffen des Geldes und des Marketings ausgetragen wurde - der Stärkere, der die besseren Waffen hatte, gewann, der Schwächere ging unter, und Pardon wurde nicht gegeben.
Manassas Packaging war 1958 von einem Unternehmer namens Walter Hobson in einer alten Scheune gegründet worden und hatte sich in den darauffolgenden Jahrzehnten zu einer der größten und modernsten Verpackungsfirmen an der Ostküste entwickelt. Im Wirtschaftsboom der sechziger Jahre hatte Hobson sich als Visionär mit einem guten Gespür für Verbrauchertrends erwiesen und viel Geld mit den damals aufkommenden Einmal- und Wegwerf-Verpackungen verdient. Im Lauf der Jahre waren von hochmodernen Maschinen Millionen und Abermillionen von Portionsbeuteln mit Ketchup und Mayonnaise für Schnellgastronomie und Imbissketten ebenso befüllt worden wie Probier- und Kleinstpackungen für weltweit führende Kosmetikkonzerne. In der Verpackungsbranche war Manassas Packaging einmal eine der ersten Adressen gewesen.
Als Rudy Collins die Firma von Walter Hobson übernahm, war vom alten Glanz nicht mehr viel übrig. Hobson war in den Strudel der tiefen Rezession geraten, die Amerika im ersten Jahrzehnt des 21.Jahrhunderts erfasst hatte. Die vier Millionen Dollar, die ihm der elegant gekleidete Investor mit den tadellosen Manieren nach langen, zähen Verhandlungen geboten hatte, waren dem alten Mann, der den Tod seines einzigen Sohnes bei der Tsunamikatastrophe
2004 in Thailand nie richtig überwunden hatte, wie ein Geschenk des Himmels erschienen, wie ein Rettungsring, der einem Ertrinkenden in letzter Sekunde zugeworfen wird.
Damals, auf dem Höhepunkt der Finanzkrise, hatte man der Manassas Packaging unter ihrem neuen Eigentümer, der keinerlei Erfahrungen im hart umkämpften Verpackungsgeschäft hatte, kaum eine Überlebenschance eingeräumt, zumal er auch noch das erfahrene Personal von Manassas Packaging binnen weniger Monate komplett durch bedeutend billigere Leiharbeitskräfte ersetzt hatte. Dieser massive Abbau von Arbeitsplätzen war damals in der Lokalpresse wochenlang ein vieldiskutiertes Ärgernis und der Beweis dafür, dass rücksichtslose Kapitalisten im ländlichen Amerika immer mehr gewachsene Strukturen zerstörten. Die Wogen der Empörung wären vermutlich noch höher geschlagen, wenn herausgekommen wäre, dass die Zeitarbeitsfirma namens FlexRessources ebenfalls zur R.C. Holding gehörte, der Firmengruppe eines gewissen Rudy Collins.
Doch es kam anders. In den Monaten nach der Übernahme wurde es still um Manassas Packaging. Die Firma zahlte brav ihre Steuern und erledigte auch hin und wieder kleinere Lohnjobs für diverse Auftraggeber, aber in Branchenkreisen war längst klar, wofür Rudy Collins das defizitäre Unternehmen erworben hatte. Es sollte für ihn im Grunde nur einen einzigen Auftrag erledigen, den er sich über Beziehungen unter den Nagel gerissen hatte: die Verpackung der Werbegeschenke für Hands Against Terrorism . Dieser Millionenauftrag würde den Wert der Firma gehörig nach oben treiben, so dass Collins sie danach mit hohem Gewinn wieder abstoßen konnte.
Der Z4 bog nach links auf den Lee Highway ab, an dem
das Firmengelände von Manassas Packaging lag. Rudy Collins war ein großer Bewunderer von Robert E. Lee. Dieser war damals im Bürgerkrieg der Oberbefehlshaber der dem Norden sowohl bevölkerungsmäßig als auch wirtschaftlich deutlich unterlegenen Südstaaten gewesen. Allein durch sein militärisches Können, seinen klaren Verstand und seinen Wagemut hatte Lee den weit überlegenen Armeen der Yankees mehrere vernichtende Niederlagen beigebracht und der militärischen Dampfwalze des Nordens vier lange Jahre standgehalten.
Hier, an dem kleinen Flüsschen Bull Run, hatten fast auf den Tag genau vor einhundertfünfzig Jahren Lees schlecht ausgerüstete Rebellensoldaten nicht nur den ersten Vorstoß
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