Killervirus - Gerber, R: Killervirus - Heartstopper
einer mächtigen Nordstaatenarmee aufgehalten, sondern sie auch gleich bis kurz vor Washington zurückgetrieben. Am Bull Run hatten sich legendäre Südstaatengeneräle wie P. T. Beauregard und Thomas »Stonewall« Jackson einen Namen gemacht, hatten die Yankees zum ersten Mal den Rebel Yell , den markerschütternden Kampfschrei ihrer Gegner kennen und fürchten gelernt.
Jetzt befand sich auf den früheren Schlachtfeldern ein historischer Gedenkpark mit Besucherzentrum und Picknick-Plätzen, auf denen Kinder zwischen historischen Feldkanonen und den Denkmälern hoch zu Ross sitzender Südstaatenoffiziere herumtollten und Frisbee spielten. Collins’ Fabrik lag nicht weit von dem Park entfernt. Dort wurde jetzt eine ganz andere Schlacht geschlagen, ein gnadenloser Kampf gegen die Zeit, den er gewinnen musste, denn trotz ihrer sexuellen Hörigkeit ihm gegenüber war Kathleen Neal vor allem eines: eine knallharte Geschäftsfrau. Falls Manassas Packaging nicht die von ihr geforderten Zahlen an Werbebeuteln
liefern konnte, drohten empfindliche Konventionalstrafen - von dem schlechten Image, das ein geplatzter Auftrag bei einem so wichtigen Ereignis wie der Menschenkette für den Wiederverkaufswert der Firma bedeutete, ganz zu schweigen.
Seit Collins die Suite im Ritz Carlton verlassen hatte, hatte er eigentlich ständig mit seinem Handy telefoniert, um den Lieferanten der für die Beutel benötigten Gegenstände Druck zu machen. Hunderttausende von ballaststoffreichen Müsliriegeln mussten noch heute bei Manassas Packaging angeliefert werden, dazu ebenso viele Plastikfläschchen mit jeweils einer Viertelgallone Mineralwasser sowie fünftausend Liter von dem Grundstoff des keimtötenden Handgels, die eine riesige Maschine vollautomatisch in kleine, zehn Milliliter fassende Polyesterfolienbeutelchen abfüllte. Die Idee, sie neben dem Logo von H.A.T. noch mit der amerikanischen Flagge zu versehen, stammte von ihm, und Kathleen hatte sie begeistert aufgegriffen. Das Gefühl, sich beruhigt die Hände reichen zu können, baute vielleicht Berührungsängste ab und brachte so manchen notorisch paranoiden Amerikaner dazu, sich mit wildfremden Menschen in eine von der Ost- bis zur Westküste reichende Kette einzureihen.
Collins Blackberry klingelte. Weil es per Bluetooth mit der Freisprechanlage des Wagens verbunden war, brauchte er nur auf einen Knopf am Autoradio zu drücken, um den Anruf anzunehmen.
Es war Kathleen Neal, die ihn darüber informierte, dass der FDA-Mann soeben eingewilligt habe, zu AMT zu fahren und dort irgendwelche Daten zu beschaffen, die sie und Martin Larrick unbedingt haben wollten. Die Senatorin
hatte grenzenloses Vertrauen in ihn und weihte ihn seit einiger Zeit in alles ein, was sie privat und beruflich tat. Collins wusste mehr über Kathleen Neal als ihre Parteifreunde, ihre Berater und auch ihr Ehemann jemals über sie erfahren würden. Wie ihr Beichtvater, dachte Rudy manchmal, auch wenn die Umstände, unter denen er ihr die Beichte abnahm, alles andere als fromm waren. Eigentlich ging die Senatorin dadurch ein unglaublich hohes Risiko ein, aber offenbar brauchte sie jemanden, bei dem sie sich aussprechen konnte, und Rudy war dafür in vielerlei Hinsicht genau der Richtige.
»Und du willst noch mehr Beutel für deine Menschenkette«, sagte er. Kathleen rief ihn nämlich nur an, wenn sie etwas von ihm wollte.
»Richtig. Wenn du kannst, lass nochmal hunderttausend mehr durch deine Maschinen laufen.«
»Dein Wunsch ist mir Befehl«, erwiderte Collins, der zur Sicherheit bei seinen Lieferanten ohnehin mehr Material bestellt hatte. »Aber danach ist Schluss. Zaubern kann selbst dein Rudy nicht.«
»Mir kannst du nichts vormachen«, gab sie gut gelaunt zurück. »Ich kenne deinen Zauberstab.«
»Vergiss unsere Verabredung morgen nicht«, sagte Collins barsch und legte ohne ein Wort des Abschieds auf. Kathleen mochte es, wenn er sie so behandelte. Außerdem hatte er jetzt eine Menge zu tun.
Als die Musik aus dem Radio automatisch wieder einsetzte, trat er heftig aufs Gas, Radarfallen hin oder her.
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14:12 UHR
SENATE RUSSELL BUILDING, WASHINGTON, DC
Kathleen Neal hatte noch nicht richtig aufgelegt, als ihr Telefon schon wieder klingelte. Ohne lange zu überlegen riss sie den Hörer ans Ohr.
»Ja?«
»Dr. Angie Howlett möchte Sie sprechen«, sagte Neals Sekretärin. »Soll ich ihr sagen, dass Sie in einer Besprechung sind?«
Neal kannte Angie Howlett gut genug um zu wissen, dass sie nicht
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