Killerwelle
Wellental eintauchen ließ. Eric lenkte es geschickt parallel zur Welle – so wie ein Surfer, der vor der Nordküste von Oahu den Brecher seines Lebens ausreitet.
Das kopflastige Gerüst kenterte, sobald es sich vollständig im Wasser befand. Es stellte sich auf den Kopf, so dass die mit Luft gefüllten Pontons himmelwärts ragten. Sie tanzten beinahe fröhlich auf den Wellen. Befreit von ihrem enormen Gewicht pendelte die Hercules zurück, bis sie fast aufrecht stand, ehe die Trägheit der Wassermassen in ihren Ballasttanks sie wieder ihre alte Schlagseite einnehmen ließ. Die drei Männer, die an der Reling hingen, wurden zwar heftig herumgeschwenkt, aber sie schafften es trotz allem, sich festzuhalten.
Als sie schließlich losließen, rutschte jeder auf dem Rücken das Deck hinab und bremste eine allzu schnelle Fahrt mit Hilfe der durch Handschuhe geschützten Hände und der Füße auf den Stahlplatten ab. Als sie die untere Reling erreichten, stiegen alle drei mit einem gemütlichen Schritt in den Ozean und begannen, eilig von dem Schiff wegzuschwimmen. Adams verharrte über ihnen in der Luft, um das Rettungsboot, das von der Oregon im Höchsttempo angerauscht kam, zu ihnen zu dirigieren.
Das RHIB erreichte sie nur wenige Sekunden bevor die Hercules sich dem Unvermeidlichen ergab, indem sie sich schwerfällig auf die Seite drehte und zum ersten Mal in ihrer langen Karriere den mit Muscheln überkrusteten Bauch der Sonne zeigte. Die im Rumpf zusammengepresste Luft schoss durch Bullaugen und andere Öffnungen heraus und erzeugte Wasserfontänen und ein lautes auf- und abschwellendes Zischen, das so klang, als wehre sich das alte Schiff gegen sein unausweichliches Schicksal.
Die letzten paar Minuten hatten Cabrillo zu einer Adrenalinmenge in seinem Kreislauf verholfen, die ausreichte, um eine kleine Fabrik mit Energie zu versorgen. Seine Brust hob und senkte sich, füllte die Lungen mit Luft, und sein Herz schlug einen rasenden Trommelwirbel. Er wollte gerade irgendeine launige Bemerkung machen, um Soleil Croissard anzudeuten, dass die Flucht keine besondere Aktion gewesen sei, aber sein Geist war völlig leer. Diesmal gab es keine scherzhaften Frotzeleien. Die Rettung war viel zu knapp gewesen, um irgendwelche Witze darüber zu machen.
Und dann fiel ihm ein, dass dies gar nicht das Ende der Affäre war, sondern eigentlich erst ihr Beginn, und sämtliche fröhlichen Gedanken zerstoben.
»Gomez, bring uns so schnell wie möglich zum Schiff zurück.«
MacD Lawless hatte sie seit jenem ersten Tag in Afghanistan getäuscht, und Cabrillo wollte jetzt Antworten hören.
Sie waren kaum gelandet und das RHIB war über die Rampe wieder in die Bootsgarage gezogen worden, als er befahl, dass die Oregon zu der Plattform auf Distanz ging und ihre Wasserlinie mit der 20-mm-Gatling-Gun des Schiffes beharkt werden sollte. Die Wassertiefe war an dieser Stelle nicht gerade optimal – offenbar musste es die Mannschaft der Hercules trotz allem sehr eilig gehabt haben. Aber sie befanden sich bereits über dem abfallenden Kontinentalsockel, und mit ein wenig Glück würde die J-61 den unterseeischen Steilhang hinabstürzen und in unerreichbaren Tiefen verschwinden.
Juan wollte, dass kein Hinweis zurückblieb, dass der Sabotageakt nicht wie geplant abgelaufen war. Das Schwerlastschiff würde sich keine zehn Minuten mehr an der Wasseroberfläche halten, und sobald sie die Schwimmer der Bohrinsel mit ein paar tausend Projektilen durchsiebt hätten, würde die Hercules der Insel auf dem Meeresgrund Gesellschaft leisten.
Da er sich während seiner Suche nach Linda ausgiebig mit klebrigen Ölresten besudelt hatte, begab sich Cabrillo nun zunächst in seine Kabine, während die beiden Frauen zu einem ersten medizinischen Checkup in die Krankenstation gebracht wurden. So sehr er sich auch nach einer Dusche sehnte, er beließ es jedoch vorläufig dabei, sich nur auszuziehen und die Kleider, die er ablegte, in einen Mülleimer zu stopfen. Anschließend schlüpfte er in einen dunkelblauen Overall und saubere Schuhe.
Nur sieben Minuten, nachdem Adams sie wohlbehalten abgesetzt hatte, war er in der Sanitätsstation. Auf dem Weg dorthin hatte er Mühe, seine rasende Wut im Zaum zu halten. Er biss die Zähne so heftig zusammen, dass seine Kiefernmuskeln schmerzend protestierten. Er machte sich klar, dass Lawless offenbar keinen Ausweg aus seiner prekären Situation gefunden hatte, aber der Verrat brannte dennoch in seinen Eingeweiden.
Max
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