Killerwelle
aber er hoffte gegen jede Vernunft, dass seine langjährige und stets zuverlässige Sekretärin geisteskrank sein möge und sich lediglich einen grausamen Schabernack erlaubt hatte.
»Da ist noch etwas«, fuhr der Assistent fort. »Um die Mittagszeit gab es in Troy, New York, tatsächlich einen allgemeinen Stromausfall, der genau eine Minute lang gedauert hat. Keine andere Gegend war davon betroffen, obgleich das örtliche Elektrizitätswerk auch die umliegenden Regionen mit versorgt. Bislang haben sie keine Erklärung, weshalb der Strom ausfiel und plötzlich wieder da war.«
»Lieber Gott«, sagte jemand. »Es ist echt.«
Fiona las die letzten Absätze des Faxes vor. »Dies sind nur kleine, harmlose Demonstrationen unserer Fähigkeiten. Wir sind keine Barbaren. Wir lieben und schätzen das Leben als wertvolles Gut, aber wenn auch nur eine unserer Forderungen nicht erfüllt werden sollte, dann werden wir Ihr Land lahmlegen. Flugzeuge werden vom Himmel regnen, Ölraffinerien werden explodieren, Fabriken werden ihre Produktion einstellen, und elektrischer Strom wird ein Ding der Vergangenheit sein.
Irgendwann werden alle Menschen auf der Erde zum einzigen wahren Glauben konvertieren, aber wir werden euch einstweilen noch gestatten, an eurem Glauben festzuhalten und neben uns zu existieren.« Sie schaute hoch. »Das ist echt.«
19
Smith hatte seinen Fehler eine Woche zuvor gemacht. Er hatte MacDs ständigen Bitten um ein Lebenszeichen von seiner Tochter in Form einer Video-Verbindung nachgegeben. Und da er glaubte, dass er Lawless noch immer fest unter Kontrolle hatte, war er auch ein wenig schlampig geworden, was die Computer-Sicherheit betraf. Die Video-Verbindung dauerte nur wenige tränenreiche Sekunden, aber Mark und Eric konnten sie ohne Schwierigkeiten bis zu ihrer Quelle zurückverfolgen.
Davor hatte die Corporation bei ihrer Überprüfung Gunawan Bahars keinerlei Fortschritte verzeichnen können.
Wie Cabrillo vermutete, hatten die Kidnapper Pauline nicht sehr weit von dem Ort in New Orleans weggebracht, von dem sie sie entführt hatten. Tatsächlich wurde sie im berüchtigten Lower Nine Ward gefangen gehalten, jenem Stadtviertel, das derart heftig vom Hurrikan Katrina heimgesucht worden war, dass der größte Teil davon in Trümmern lag. Es war eine an sich kluge taktische Entscheidung, denn da die äußere Erscheinung der Gegend derart in Mitleidenschaft gezogen worden war, fielen Fremde dort wesentlich weniger auf und erregten keinen Verdacht.
Cabrillo, Lawless und Franklin Lincoln flogen nach Houston, wo die Corporation einen geheimen Unterschlupf unterhielt. Es war einer von einem Dutzend, die sie in Hafenstädten überall auf der Welt eingerichtet hatten, und wurde vorwiegend benutzt, um dort Waffen und andere Ausrüstungsgegenstände zu deponieren, die man nur unter Schwierigkeiten durch die Zollkontrollen schmuggeln konnte. Sogar Firmenjets wurden durchsucht, und während Behördenvertreter auf vielen Flughäfen der ganzen Welt bestochen werden konnten, wäre es doch niemals eine gute Idee gewesen, etwas Derartiges in den Vereinigten Staaten zu versuchen.
Bei Hertz mieteten sie eine unauffällige Limousine, suchten sich in dem verliesartigen Lagerraum des Unterschlupfs ihre Ausrüstung zusammen und waren schon wenige Minuten später wieder unterwegs zum Big Easy. Sie legten die fünfhundertfünfundzwanzig Kilometer streng innerhalb der Geschwindigkeitsbegrenzung und unter buchstabengetreuer Beachtung sämtlicher Verkehrsregeln zurück. Cabrillo überließ Lawless das Lenkrad. Das tat er nicht etwa wegen seines Arms, der etwa achtzig Prozent seiner alten Leistungsfähigkeit wiedererlangt hatte. Sondern er wollte, dass MacDs Geist sich vorübergehend mit etwas anderem beschäftigte als mit seiner sechs Jahre alten Tochter.
Ihr erster Stopp war das Haus von Lawless’ Eltern. Dem verzweifelten Ehepaar, das sich um das Kind gekümmert und es versorgt hatte, war von den Entführern erklärt worden, dass jeder Versuch, die Polizei zu alarmieren, sie zwänge, das Mädchen zu töten. Mit dieser Angst lebten sie nun schon seit einigen Wochen. So sehr MacD sich auch wünschte, sie anzurufen, er war sich mit Cabrillo darin einig, dass einer der Entführer möglicherweise in ihrem Haus geblieben war oder ihr Telefon verwanzt hatte.
Das Haus stand in einer hübschen Trabantenstadt mit alten Eichen, die mit Louisianamoos überwuchert waren. Viele der Häuser waren Klinkerbauten und hatten den Hurrikan
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