Killerwelle
wusste, dass es nicht ungewöhnlich war, dass Ölplattformen gelegentlich monatelang nicht benutzt wurden. Aber jahrelang? Es ergab irgendwie keinen Sinn.
Am Ende des Korridors führte eine Treppe ins nächste Stockwerk. Er stieg schnell hinauf. In dem stählernen Aufbau war es heiß geworden, nachdem ihn die tropische Sonne den ganzen Tag lang aufgeheizt hatte. Zwei Türen befanden sich auf dem Treppenabsatz. Eine führte zu einem anderen Gang und wahrscheinlich zu den Mannschaftsunterkünften. Als er die zweite Tür öffnete, lief er regelrecht vor eine Wand aus gekühlter Luft. Der Temperaturwechsel war derart krass, dass er unwillkürlich einen Schritt zurückwich, ehe er den großen Raum dahinter betrat.
»Was zum Teufel hat das denn zu bedeuten?«, sagte er laut und war sich nicht ganz sicher, ob er glauben sollte, was seine Augen ihm sagten.
Und dann dämmerte es ihm schließlich. Er befand sich auf J-61. Bei all seinem Pech war er auch noch auf der einzigen Bohrinsel gelandet, die für das gesamte Personal des Ministeriums gesperrt war. Er kannte den Grund für diese Anweisung nicht und wusste nur, dass sie von ganz oben kam. Man hatte ihm unmissverständlich klargemacht, dass er niemals, unter keinen Umständen, egal aus welchem Grund, einen Fuß auf diese Insel setzen dürfe.
Aber das begriff er nicht. Was sollte dort sein? Alles, was er sah, waren …
»Hey, du!«
Die Stimme erklang hinter ihm. Jemand war durch den Gang gekommen. Abdullah drehte sich um und hob die Hand zu einer beschwichtigenden Geste. »Es tut mir leid. Sehen Sie, mein Hubschrauber ist abge…«
Der Mann rammte Abdullah eine Faust mit genügend Wucht in den Magen, um ihn von den Füßen zu holen. Ehe er auch nur daran denken konnte, sich zu verteidigen, folgte schon der nächste Treffer, diesmal gegen die Schläfe, der ihn vollkommen lähmte. Und dann krachte ein schwerer Stiefel in sein Gesicht, und Abdullahs Welt wurde schwarz.
Er kam langsam zu sich. Wie an jenem Morgen, nachdem er und einige Freunde gegen islamische Regeln verstoßen und sich sinnlos betrunken hatten. Sein Kopf schmerzte, in seinem Magen tobte ein Feuer, und er konnte kaum die Augen aufschlagen. Er sah nichts als verschwommene Konturen und Lichtflecken. Überhaupt nichts ergab einen Sinn. Er hörte Männerstimmen und versuchte, den Kopf zu drehen. Seine Halswirbel fühlten sich wie miteinander verschmolzen an. Noch nie in seinem Leben hatte er derartige Schmerzen ertragen müssen. Was war mit ihm geschehen?
Die Stimmen. Der Mann. Vielleicht ein Wächter. Die Prügel. Schlagartig war alles wieder in seinem Bewusstsein. Er wollte sich bewegen, musste jedoch feststellen, dass er an einen Stuhl gefesselt war. Panik überkam ihn und klärte ein wenig seine Sinne. Zu seinem Schrecken erkannte er, dass er sich wieder im Helikopter befand und angeschnallt neben der versengten Leiche des Piloten saß.
Jemand hatte den Vogel zurück auf die Landekufen gestellt und ihn auf seinen Platz gehievt. Er wollte den Sicherheitsgurt öffnen, aber der Verschluss war mit so viel Klebeband umwickelt worden, dass er wie ein dicker silberner Klumpen auf seinen Magen drückte. Er nahm eine Bewegung wahr.
Sie verschoben den Hubschrauber.
Er blickte im gleichen Moment hinaus, als der Horizont über seinen Kopf wanderte. Die Windschutzscheibe wurde mit dem Anblick des Ozeans ausgefüllt, und dann spürte er die Beschleunigung. Er stürzte, hilflos auf seinem Sitz festgeschnallt, während der Chopper von der Bohrinsel kippte.
Der Robinson schlug mit brutaler Wucht auf dem Wasser auf, wodurch Abdullahs Kopf nach vorne geschleudert wurde, sein Genick brach und sein Leben gnädig beendet wurde, bevor er ertrinken konnte.
Zwanzig Minuten später wurde ein Alarm ausgelöst, als der Chef der Bohrinsel, die Abdullah hatte kontrollieren sollen, das Ministerium benachrichtigte. Sofort wurden Rettungshubschrauber und Patrouillenboote in Marsch gesetzt. Von dem Robinson, seinem Piloten und seinem einzigen Passagier gab es keine Spur. Ein besonders cleverer Helikopterpilot umkreiste Bohrinsel J-61, »nur für alle Fälle«, wie er sich sagte, aber sie sah so verlassen aus wie eh und je, weil inzwischen jede Spur des Feuers, das auf dem Deck gebrannt hatte, sorgfältig beseitigt worden war. Das Geheimnis, das die Insel barg, war wieder sicher.
5
Cabrillo hatte die erste halbe Stunde des Flugs im hinteren Teil der luxuriösen Kabine der Gulfstream V in Kontakt mit Max Hanley verbracht. Hanley
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