Killing Business. Der geheime Krieg der CIA (German Edition)
denn eure Festung wird euch nicht vor uns schützen können.
Wir werden euch bald erreichen.«
Einen Tag nachdem Barack Obama seinen Amtseid als 44. Präsident der Vereinigten Staaten geleistet hatte, bekam Mohammed Bin Naif einen Anruf von einem alten Freund aus Washington. Der Mann am anderen Ende der Leitung war John Brennan, ein früherer Spitzenbeamter der CIA . Er hatte Obama im Präsidentschaftswahlkampf zur Seite gestanden und sollte Obamas leitender Berater für Terrorismusbekämpfung im Weißen Haus werden, obwohl er eigentlich ein anderes Amt angestrebt hatte. Am Ende des Wahlkampfs hatte man allgemein angenommen, dass er nach einem Sieg Obamas der wichtigste Kandidat für die CIA -Führung sein würde. Er hatte die richtigen Qualifikationen: Der Sohn irischer Einwanderer war in New Jersey aufgewachsen und hatte die Fordham University besucht; er war jahrzehntelang CIA -Analyst gewesen und sprach fließend Arabisch. In den 1990er-Jahren hatte er sogar als CIA -Stationschef in Riad gearbeitet, obwohl er Analyst und kein geheimer Führungsoffizier war. Der groß gewachsene Mann, dessen Gesicht aussah, als sei es aus einer Kalkplatte gehauen, wirkte wie ein Boxer aus der Zeit der Weltwirtschaftskrise.
Doch sein Traum, die Leitung der CIA zu übernehmen, scheiterte in der Übergangszeit zwischen Obamas Wahlsieg und dessen Vereidigung, als Äußerungen von ihm wieder auftauchten, in denen er die brutalen Verhörmethoden zu rechtfertigen schien, die die CIA in ihren Geheimgefängnissen anwandte – Äußerungen, für die er von Menschenrechtlern scharf kritisiert wurde. Brennan hatte zu George Tenets wichtigsten Beratern gehört, als diese Gefängnisse 2002 eingeführt wurden. Deshalb stand er in enger Verbindung mit einem Programm, das Obama häufig als schwarzen Fleck in der amerikanischen Geschichte bezeichnet hatte. Aus Furcht vor einer langwierigen und schädlichen Bestätigungsdebatte im Senat verzichtete er schließlich auf die Kandidatur für die CIA -Führung.
Der Posten als Terrorismusberater im Weißen Haus war vielleicht nur als Trostpreis gedacht, aber Brennan verwandelte sein fensterloses Kellerbüro im Westflügel des Weißen Hauses binnen kurzer Zeit in das Operationszentrum der geheimen Kriege von Obamas Präsidentschaft. Weil der Präsident bestimmte Aspekte der gezielten Tötungen direkt im Weißen Haus gemanagt haben wollte, bekam Brennan eine in der Geschichte des amerikanischen Staats einzigartige Stellung: Er war zugleich Scharfrichter und Beichtvater des Präsidenten und außerdem der Sprecher, der Obamas Theorie und Praxis, die Feinde Amerikas auch in fernen Gegenden der Welt zu töten, rechtfertigen musste.
Als Brennan im Januar 2009 Bin Naif anrief, versicherte er dem Prinzen, den er seit seiner Zeit in Riad gut kannte, dass Präsident Obama genauso fest entschlossen sei, Terroristen zu jagen und zu töten wie sein Vorgänger Bush. In der Übergangsperiode nach der Wahl war Brennan zusammen mit anderen führenden Mitgliedern von Obamas nationalem Sicherheitsstab zwei Tage lang im CIA -Hauptquartier gebrieft worden: Leitende Mitarbeiter des Geheimdiensts waren mit ihnen die Liste der laufenden verdeckten Operationen durchgegangen. Mike, der Chef des Counterterrorism Center, informierte die Neulinge, dass Präsident Bush im Sommer zuvor die Frequenz der Drohnenschläge erhöht hatte, und dass die CIA versuchte, mehr Spione in Pakistan einzuschleusen. Während des Präsidentschaftswahlkampfs hatte Obama wiederholt angekündigt, dass er sich stärker um Pakistan und Afghanistan und um die Jagd auf Bin Laden kümmern werde. Er wollte den sogenannten »guten Krieg« wieder mehr in den Mittelpunkt stellen, den Bush wegen des »schlechten Kriegs« im Irak vernachlässigt hatte. Bei den Besprechungen erklärte Brennan Mike und dem stellvertretenden CIA -Direktor Stephen Kappes, den Obama gebeten hatte, im Amt zu bleiben, dass die Tötungen durch Drohnen in Pakistan wahrscheinlich auch unter Obama weitergehen würden.
Es gab noch einen weiteren Grund, warum Obama, Brennan und andere führende Mitglieder der neuen Regierung die gezielten Tötungen weiterhin als wichtiges Instrument der Terrorismusbekämpfung nutzen wollten. Während des Wahlkampfs hatte Obama wiederholt geäußert, dass die heimlichen Internierungen und die Verhörmethoden der Ära Bush dem Ansehen der Vereinigten Staaten in der Welt geschadet hätten, und er hatte in der ersten Woche seiner Amtszeit erklärt, dass er das
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